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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Carbamazepin

Carbamazepin ist ein wichtiger, aber nicht unproblematischer Arzneistoff. Positiv ist seine gute Wirksamkeit bei Epilepsie und in einigen anderen Indikationen, problematisch sind sein Interaktionsrisiko, sein teratogenes Potenzial und seine Auswirkungen auf die Umwelt.
Annette Rößler
05.10.2023  07:00 Uhr

Wie wirkt Carbamazepin?

Carbamazepin ist ein Antiepileptikum, es erhöht die Krampfschwelle und senkt die Anfallshäufigkeit. Das tut es, indem es im ZNS spannungsabhängige Natriumkanäle blockiert und so die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter verhindert, insbesondere von Glutamat. Auf diese Weise normalisiert Carbamazepin das bei der Epilepsie gestörte Gleichgewicht zwischen inhibitorischen und exzitatorischen Impulsen. Neben dem antikonvulsiven Effekt hat Carbamazepin eine sedierende, antidepressive und neuropathische Schmerzen lindernde Wirkkomponente.

Was sind die Einsatzgebiete von Carbamazepin?

Die zugelassenen Indikationen lauten: Epilepsie, Trigeminus-Neuralgie, genuine Glossopharyngeus-Neuralgie, schmerzhafte diabetische Neuropathie, nicht epileptische Anfälle bei Multipler Sklerose, Anfallsverhütung beim Alkoholentzugssyndrom (stationäre Anwendung) und Prophylaxe manisch-depressiver Phasen, wenn die Therapie mit Lithium versagt hat oder aus anderen Gründen ungeeignet ist. Die letztgenannte Indikation besitzen flüssige Darreichungsformen allerdings nicht.

Wie wird Carbamazepin dosiert?

Carbamazepin wird individuell dosiert: Gestartet wird in einer niedrigen Initialdosis, die abhängig von der Art und Schwere des Krankheitsbildes langsam bis zur am besten wirksamen Erhaltungsdosis erhöht wird. Übliche Tagesdosen liegen zwischen 400 und 1200 mg; eine Tagesgesamtdosis von 1600 mg sollte nicht überschritten werden. Bei Kindern beträgt die Erhaltungsdosis im Allgemeinen durchschnittlich 10 bis 20 mg/kg Körpergewicht/Tag. Wird der Plasmaspiegel bestimmt – was insbesondere bei einer Kombinationstherapie mit anderen Arzneistoffen sinnvoll ist –, liegt der therapeutische Carbamazepin-Spiegel zumeist zwischen 4 und 12 µg/ml. Die Tagesdosis wird in der Regel auf mehrere Einzelgaben aufgeteilt; es stehen auch retardierte Darreichungsformen zur Verfügung. Die Einnahme erfolgt zu den oder nach den Mahlzeiten.

Wann darf Carbamazepin nicht eingesetzt werden?

Kontraindikationen sind Überempfindlichkeit gegen Carbamazepin selbst oder strukturell verwandte Wirkstoffe, zum Beispiel Trizyklika, Knochenmarkschädigung, atrioventrikulärer Block, hepatische Porphyrie sowie gleichzeitige Therapie mit einem Monoaminoxidase-Hemmer oder Voriconazol. Nur unter engmaschigem Monitoring und nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung darf Carbamazepin unter anderem bei früheren oder bestehenden hämatologischen Erkrankungen angewendet werden sowie bei gestörtem Natriumstoffwechsel, Herz-, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen (auch in der Vorgeschichte).

Welche Nebenwirkungen kann Carbamazepin haben?

Die Liste möglicher Nebenwirkungen von Carbamazepin ist lang. Sie umfasst unter anderem Störungen des Blutbildes, Flüssigkeitsretention, Verwirrtheit und Agitation (bei Älteren), Schwindel, Ataxie, Sedierung, Sehstörungen, allergische Hauterkrankungen, Anstieg der Leberenzymwerte und Suizidalität. Zentralnervöse Störungen können ein Zeichen für starke Schwankungen des Plasmaspiegels sein; dieser sollte daher in solchen Fällen bestimmt werden. Carbamazepin wirkt photosensibilisierend. Daher sollten Patienten unter der Therapie die Sonne meiden.

Das Risiko für ein Stevens-Johnson-Syndrom ist bei Personen mit der Genvariante HLA-B*1502 stark erhöht. Diese liegt bei Han-Chinesen und Thailändern mit einer Rate von etwa 10 Prozent vor. Solche Patienten sollten daher vor dem Start einer Therapie mit Carbamazepin auf die Genvariante hin untersucht werden.

Was ist in puncto Wechselwirkungen bei Carbamazepin zu beachten?

Carbamazepin kann sehr viele Wechselwirkungen hervorrufen. Der Wirkstoff ist ein starker Induktor des Cytochrom-P-450-Isoenzyms CYP3A4 und beschleunigt dadurch nicht nur seinen eigenen Abbau, sondern auch den zahlreicher anderer Arzneistoffe. Anders herum können unter anderem Ibuprofen, Makrolid-Antibiotika, Azol-Antimykotika, Grapefruitsaft und viele weitere den Carbamazepin-Abbau verringern, wodurch die Wirkstoffspiegel und die Gefahr von Nebenwirkungen steigen. Von den direkten oralen Antikoagulanzien sollten lediglich Edoxaban und Apixaban (vorübergehend) zusammen mit Carbamazepin eingesetzt werden, und auch das nur mit Vorsicht. Wird Carbamazepin zusammen mit Lithium gegeben, kann sich die neurotoxische Wirkung der beiden Substanzen verstärken. Bei Patienten, die Schilddrüsenhormone einnehmen, sollten zu Beginn und am Ende einer Therapie mit Carbamazepin die Schilddrüsenwerte bestimmt und die Dosis der Hormone gegebenenfalls angepasst werden.

Während der Behandlung mit Carbamazepin sollten die Patienten keinen Alkohol trinken.

Darf Carbamazepin in der Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden?

Carbamazepin ist ein Teratogen und sollte deshalb in der Schwangerschaft tunlichst nicht eingesetzt werden. Wenn eine auf Carbamazepin eingestellte Frau schwanger werden möchte, muss sie die Schwangerschaft mit dem behandelnden Arzt genau planen. Embryotox.de, die Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, schlägt als besser geeignete Alternative bei Epilepsie Lamotrigin beziehungsweise gegebenenfalls auch Levetiracetam vor. Zu beachten ist, dass orale Kontrazeptiva infolge der Enzyminduktion durch Carbamazepin ihre Wirkung verlieren können.

In der Stillzeit darf Carbamazepin laut Fachinformation eingenommen werden, wenn der Säugling genau auf unerwünschte Wirkungen wie verringerte Gewichtszunahme, Sedierung oder allergische Hautreaktionen überwacht wird. Auch bei Embryotox heißt es: »Stillen unter Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes ist akzeptabel.«

Was gibt es sonst noch zu Carbamazepin zu wissen?

Carbamazepin ist ein biologisch schwer abbaubarer Arzneistoff, der in der Umwelt Schaden anrichtet: Es kann die Fortpflanzungsfähigkeit von wirbellosen Tieren beeinträchtigen und Fehlbildungen bei deren Nachkommen hervorrufen. Bei Fischen kann Carbamazepin Entwicklungsverzögerungen auslösen. Carbamazepin steht deshalb auf der nationalen Beobachtungsliste des Umweltbundesamts.

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