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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Amitriptylin

Unter den Antidepressiva galt Amitriptylin lange Zeit als Goldstandard. Obwohl inzwischen andere Therapieoptionen favorisiert werden, zählt es immer noch zu den verordnungsstärksten Arzneimitteln.
AutorKontaktKerstin A. Gräfe
Datum 08.03.2022  11:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Amitriptylin?

Amitriptylin wird als Hydrochlorid vor allem zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Weitere Indikationen sind neuropathische Schmerzen sowie die Prophylaxe von Migräne und chronischen Spannungskopfschmerzen. Bei Letzteren hat es von den trizyklischen Antidepressiva die beste Datenlage. Darüber hinaus kommt Amitriptylin bei Kindern ab sechs Jahren zur Behandlung einer Enuresis nocturna (Bettnässen) zur Anwendung.

Off Label wird Amitriptylin häufig als Hypnotikum bei Schlafstörungen eingesetzt. Zudem ist es wie andere trizyklische Antidepressiva wirksam beim Reizdarmsyndrom und bei Fibromyalgie. Darüber hinaus scheint der Arzneistoff zur Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung geeignet zu sein.

Wie wirkt Amitriptylin?

Amitriptylin hemmt unselektiv die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Synapsen des zentralen Nervensystems und erhöht dadurch die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt. Dies scheint mit der antidepressiven Aktivität assoziiert zu sein. Zudem blockiert das Trizyklikum Natrium-, Kalium- und NMDA-Kanäle sowohl zentral als auch im Rückenmark, worauf man die schmerzhemmende Wirkung zurückführt. Weiterhin besitzt der Wirkstoff antagonistische Eigenschaften an Muskarin- und Histamin-Rezeptoren, was sich vor allem in den Nebenwirkungen widerspiegelt.

Wie wird Amitriptylin dosiert?

Amitriptylin ist als Tabletten (teils mit verzögerter Wirkstofffreisetzung) sowie als Tropfen und Injektionslösung verfügbar. Die Dosierung erfolgt ein- beziehungsweise ausschleichend. Die Erhaltungsdosis ist stets die niedrigste wirksame Dosis.

Bei Depressionen erfolgt die Anwendung zweimal täglich. Im ambulanten Bereich wird mit einer Tagesdosis von 50 mg gestartet und die Höchstdosis liegt bei 150 mg pro Tag. Mit einer antidepressiven Wirkung ist in der Regel nach zwei bis vier Wochen zu rechnen. Die Behandlung muss daher über einen angemessenen Zeitraum fortgeführt werden, üblicherweise bis zu sechs Monate nach Abklingen der Symptome, um einen Rückfall zu vermeiden.

Zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen und zur Migräne- beziehungsweise Kopfschmerzprophylaxe kann Amitriptylin einmal täglich oder aufgeteilt auf zwei Teildosen eingenommen werden. Als Anfangsdosis werden 10 bis 25 mg am Abend empfohlen. Einzeldosen von mehr als 75 mg werden nicht empfohlen. Die analgetische Wirkung setzt in der Regel nach zwei bis vier Wochen ein.

Bei Patienten über 65 Jahren wird eine Anfangsdosis von 10 bis 25 mg abends empfohlen und tägliche Dosen von mehr als 100 mg (Depression) beziehungsweise 75 mg (Schmerzen) sind hier nur mit Vorsicht anzuwenden.

Zur Behandlung von Bettnässen nehmen Kinder von sechs bis zehn Jahren täglich 10 mg bis 20 mg eine bis anderthalb Stunden vor dem Schlafengehen ein, Kinder ab elf Jahren 25 mg bis 50 mg. Die Dosis sollte schrittweise gesteigert werden und die Behandlung maximal drei Monate dauern.

Was sind die Gegenanzeigen?

Amitriptylin darf nicht angewendet werden bei Patienten, die kürzlich einen Herzinfarkt erlitten haben oder die an Herzrhythmusstörungen sowie an einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels leiden. Ebenfalls kontraindiziert ist der Arzneistoff bei Patienten mit einer schweren Lebererkrankung. Aufgrund der Gefahr eines potenziell lebensbedrohlichen Serotonin-Syndroms darf Amitriptylin nicht gleichzeitig mit MAO-Hemmern angewendet werden. Bei einem Therapiewechsel ist ein zeitlicher Sicherheitsabstand zu beachten. Kinder unter sechs Jahren dürfen den Arzneistoff nicht einnehmen.

Welche Nebenwirkungen sind möglich?

Im Vordergrund stehen wie bei allen trizyklischen Antidepressiva anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Durst, Miktionsstörungen, Obstipation, Sehstörungen durch Steigerung des Augeninnendrucks und Akkomodationslähmung, Delir sowie Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen. Zudem kann die anticholinerge Wirkung kardiovaskuläre Störungen wie Hypotonie, orthostatische Dysregulation, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen verursachen. Letztere können auch dadurch zustande kommen, dass Trizyklika die QT-Zeit verlängern. Vereinzelt können durch Amitriptylin auch epileptische Krampfanfälle ausgelöst werden. Sehr häufig ist eine Gewichtszunahme zu beobachten, was die Adhärenz verschlechtert.

Bei Kindern besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Karies. Es wird empfohlen, auf die tägliche Zahnpflege zu achten.

Welche Wechselwirkungen sind zu beachten?

Nicht empfohlen wird die gleichzeitige Anwendung mit folgenden Wirkstoffgruppen, da Amitriptylin deren Wirkung verstärken kann: Sympathomimetika, Adrenozeptorblocker, Anticholinergika, Antimykotika sowie Arzneimittel, die das QT-Intervall verlängern. Gleiches gilt für eine gleichzeitige Gabe der CYP2D6-Substrate Thioridazin und Tramadol. Alkohol, Barbiturate und andere zentral dämpfende Arzneimitteln können die sedierende Wirkung von Amitriptylin verstärken.

Trizyklische Antidepressiva einschließlich Amitriptylin werden vorwiegend über CYP2D6 und CYP2C19 metabolisiert. Zudem sind am Abbau CYP3A4, CYP1A2 und CYP2C9 beteiligt. Darauf gilt es bei einer gleichzeitigen Gabe von Induktoren beziehungsweise Inhibitoren zu achten. So können zum Beispiel orale Kontrazeptiva und Johanniskraut die Metabolisierung trizyklischer Antidepressiva verstärken und so deren Plasmakonzentration senken und die antidepressive Wirkung abschwächen.

Des Weiteren inhibieren trizyklische Antidepressiva und Neuroleptika wechselseitig ihre Metabolisierung, was zur Senkung der Krampfschwelle und zum Auftreten von Krampfanfällen führen kann. Natriumvalproat und Valpromid können die Plasmaspiegel von Amitriptylin erhöhen. 

Dürfen schwangere und stillende Frauen Amitriptylin anwenden?

Amitriptylin sollte während der Schwangerschaft, insbesondere im ersten sowie im letzten Drittel nur bei zwingender Notwendigkeit und nach strenger Abwägung von Nutzen und Risiko eingenommen werden. Der Wirkstoff und seine Abbauprodukte gehen in die Muttermilch über und sollte daher während der Stillzeit nicht angewendet werden.

Wobei hilft die Eselsbrücke FINISH?

Beim Absetzen von Antidepressiva sind diverse Entzugssymptome möglich, die überaus vielfältig sind und zudem von einer Rückkehr der Grunderkrankung abgegrenzt werden müssen. Bei der Unterscheidung hilft die im Englischen verwendete Eselsbrücke »FINISH«. 

  • Flu-like symptoms (grippeähnliche Symptome),
  • Insomnia (Schlafstörungen, intensive Träume, Albträume),
  • Nausea (Übelkeit, Erbrechen),
  • Imbalance (Gleichgewichtsstörungen, Schwindel),
  • Sensory disturbances (Stromschläge, Dysästhesien),
  • Hyperarousal (Ängstlichkeit, Agitation, Reizbarkeit).

Charakteristisch für ein Absetzsyndrom sind ein rasches Auftreten innerhalb von drei bis sieben Tagen sowie eine spontane Rückbildung innerhalb von zwei bis sechs Wochen. Kommt es zu einem Rückfall der Grunderkrankung, setzt dieser in der Regel später ein.

Seit wann gibt es Amitriptylin?

Amitriptylin wurde 1960 erstmals synthetisiert und 1962 vom Arzneimittelhersteller Lundbeck unter dem Handelsnamen Saroten® in den Markt eingeführt. Bis zum Aufkommen der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer war es das meistverordnete Antidepressivum weltweit. 2011 stand Amitriptylin immer noch an vierter Stelle der meistverordneten Psychopharmaka in Deutschland. Heutzutage sind zahlreiche Generika im Handel; die Produktion des Originalpräparats Saroten wurde im Jahr 2018 aus marktwirtschaftlichen Gründen eingestellt.

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