Statine senken Darmkrebsrate |
Annette Rößler |
04.09.2023 16:30 Uhr |
Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen können laut einer Studie aus Schweden von der Einnahme eines Statins profitieren. / Foto: Adobe Stock/Alrandir
Pleiotropie nennt man es, wenn ein Arzneistoff oder eine Arzneistoffgruppe mehr als eine erwünschte Wirkung haben. Dies ist bei den Statinen der Fall: Sie senken nicht nur den LDL-Cholesterolspiegel und damit das kardiovaskuläre Risiko, sondern laut Studien auch das Krebsrisiko. Der letztere Effekt basiere auf entzündungshemmenden, antiproliferativen, proapoptotischen und antineoplastischen Wirkkomponenten, der Statine, führt ein Team um Dr. Jiangwei Sun vom Karolinska Institut in Stockholm im Fachjournal »E-Clinical-Medicine« aus.
Die Forschenden untersuchen in dieser Arbeit konkret, wie sich die Einnahme eines Statins bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) auf das Risiko für Darmkrebs auswirkt. Dieses ist bei den Betroffenen aufgrund der chronischen Entzündung im Darm generell höher als in der Allgemeinbevölkerung, und zwar ungefähr um den Faktor 1,5. Für ihre Analyse verwendete die Gruppe Daten der ESPRESSO-Kohorte (Epidemiology Strengthened by Histopathology Reports in Sweden), an der unter anderem Patienten mit CED aus ganz Schweden beteiligt sind.
Eingeschlossen wurden insgesamt 10.546 CED-Patienten aus dem Zeitraum Juli 2006 bis Dezember 2018, von denen die Hälfte ein Statin einnahm und die andere Hälfte nicht. Während eines Beobachtungszeitraums von median 5,6 Jahren gab es in der Statin-Gruppe 70 Darmkrebs-Neuerkrankungen und in der Vergleichsgruppe 90. Der Schutzeffekt war dabei umso stärker ausgeprägt, je länger die Patienten das Statin bereits angewendet hatten; verglichen mit einer Behandlungsdauer von lediglich 30 Tagen bis zu einem Jahr betrug die adjustierte Odds Ratio (aOR) bei einem bis unter zwei Jahren 0,59, bei zwei bis unter fünf Jahren 0,46 und bei mindestens fünf Jahren 0,38. In der Statingruppe waren zudem weniger Darmkrebs-assoziierte Todesfälle zu verzeichnen als in der Vergleichsgruppe (20 versus 37) und auch die Rate an Todesfällen jeglicher Ursache war niedriger (529 versus 719).
Die Forschenden errechnen aus ihren Daten bei einer Behandlungsdauer von zehn Jahren eine Number Needed to Treat (NNT) jeweils für Darmkrebs-Neuerkrankung, Tod durch Darmkrebs beziehungsweise Tod jeglicher Ursache von 227, 200 und 21. So viele CED-Patienten müssten demnach zehn Jahre lang ein Statin einnehmen, um das Eintreffen eines dieser jeweiligen Ereignisse zu verhindern. Allerdings war dies nur für Patienten mit Colitis ulcerosa statistisch signifikant.
»Das liegt unserer Einschätzung nach daran, dass es weniger Studienteilnehmer mit Morbus Crohn als mit Colitis ulcerosa gab«, begründet Sun in einer begleitenden Pressemitteilung. Um bei Morbus-Crohn-Patienten ebenfalls statistische Signifikanz zu erreichen, bräuchte es mehr Daten auch aus anderen Ländern. Weiterer Forschungsbedarf besteht laut Sun zudem, um zu klären, ob es sich tatsächlich um einen kausalen Zusammenhang handelt und falls Ja, in welchem Stadium der Erkrankung Statine gegeben werden sollten, in welcher Dosierung und wie lange.