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Primärprävention

Statine restriktiver einsetzen

Ist das kardiovaskuläre Risiko hoch, sollen Betroffene bereits ein Statin erhalten, bevor es zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gekommen ist. Ab wann der Nutzen der Primärprävention die Risiken übersteigt, ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Forscher der Universität Zürich plädieren jetzt anhand einer Netzwerk-Metaanalyse für einen restriktiveren Einsatz von Statinen als bislang üblich.
Annette Mende
05.12.2018  14:52 Uhr

Verschiedene Faktoren beeinflussen das kardiovaskuläre Risiko eines Menschen. Die wichtigsten sind das Geschlecht, das Alter, der Cholesterolspiegel, der Blutdruck und das Rauchen. Sie alle gehen in die  Risikoberechnungstabelle SCORE ein (Systematic COronary Risk Evaluation), die beispielsweise die europäische Fachgesellschaft ESC zur Abschätzung des patientenindividuellen Risikos verwendet. Die ESC und andere internationale Fachgesellschaften machen ihre Empfehlungen zur Primärprävention abhängig vom SCORE-Wert des Patienten, der das geschätzte Zehnjahresrisiko für ein tödliches Herz-Kreislauf-Ereignis in Prozent angibt.

Viele Leitlinien empfehlen die Gabe eines Statins ab einem Zehnjahresrisiko von 10 Prozent, die US-amerikanische sogar schon ab 7,5 Prozent. Ob diese Grenzwerte, die aus klinischen Studien abgeleitet sind, für die Allgemeinbevölkerung tatsächlich anwendbar sind, ist jedoch unklar, bemängeln die Forscher um Henock Yebyo im Fachjournal »Annals of Internal Medicine«. Sie zogen daher Daten der Schweizer Allgemeinbevölkerung sowie aus randomisierten klinischen und großen Beobachtungsstudien heran, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Statine in verschiedenen Lebensaltern abzuschätzen.

Für die Anwendung eines Statins sprachen tödliche und nicht tödliche Herz-Kreislauf-Ereignisse (aufgrund der Annahme, dass sie durch eine Lipidsenkung möglicherweise hätten verhindert werden können), dagegen Nebenwirkungen wie Myopathie, Leber- oder Nierenfunktionsstörung, Katarakt und andere. Einen Nettonutzen sahen die Autoren als gegeben an, wenn die Wahrscheinlichkeit für ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis mindestens 60 Prozent betrug.

Diese Bedingung war allgemein bei höheren Zehnjahresrisiken erfüllt, als es die Leitlinien derzeit vorsehen. Der Schwellenwert, ab dem Personen von einer Statin-Primärprävention profitierten, variierte dabei abhängig von Geschlecht, Alter und Wirkstoff. So war ein Nettonutzen bei Männern zwischen 40 und 44 Jahren bereits bei einem kardiovaskulären Zehnjahresrisiko von 14 Prozent gegeben, im Alter zwischen 70 und 75 Jahren aber erst bei 21 Prozent. Bei Frauen lagen die entsprechenden Grenzwerte etwas höher (17 Prozent für 40- bis 44-Jährige, 22 Prozent für 70- bis 75-Jährige). Die Schwelle zum Nettonutzen war bei Atorvastatin und Rosuvastatin früher überschritten als bei Simvastatin und Pravastatin – ein Umstand, der aus Sicht der Autoren vermutlich die stärkere Cholesterol-senkende Wirksamkeit der beiden erstgenannten Wirkstoffe widerspiegelt.

Die Autoren regen an, auf Basis dieser Ergebnisse die Grenzwerte zu überdenken, ab denen Statine in der Primärprävention eingesetzt werden. In der Tat könnte eine restriktivere Verwendung der Lipidsenker sinnvoll sein, da manche Senioren derzeit allein aufgrund ihres Alters schon die Kriterien für den Einsatz erfüllen, schreiben Dr. Ilana Richman und Dr. Joseph Ross von der Yale University in einem begleitenden Editorial. Im Alter steige aber auch die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen und generell die Sterblichkeit, sodass ältere Patienten unter Umständen nicht lange genug leben, um von der Statin-Einnahme zu profitieren.

Die Entscheidung für oder gegen eine Primärprävention mit einem Statin müsse stets mit dem Patienten gemeinsam gefällt werden: Manche Menschen gingen, was ihr kardiovaskuläres Risiko angeht, lieber auf Nummer sicher und nähmen dafür mögliche Nebenwirkungen in Kauf, andere wiederum empfänden es als lästig, jeden Tag eine Tablette einzunehmen, oder sähen generell eher die Nachteile dieser therapeutischen Maßnahme. Diese Abwägung sei stets mit einer gewissen Unsicherheit verbunden.

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