Stabile Lieferketten statt Sparzwang |
Lieferketten aufrechtzuerhalten, werde immer schwieriger. Davon ist auch Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) überzeugt. Er sprach sogar von der »unruhigsten Zeit seit wahrscheinlich 50 Jahren«. Dennoch wollte er bei der Expopharm-Eröffnung nicht nur über die Sparpolitik des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) jammern, sondern stattdessen lieber positiv in die Zukunft schauen. Immerhin erlebten die Hersteller genauso wie die Apotheken seit der Coronavirus-Pandemie mehr Wertschätzung in der Gesellschaft. Außerdem zählte er die Chancen für die Vor-Ort-Apotheke auf. Dazu gehören für ihn Digitalisierung, E-Commerce-Plattformen, Beratung erklärungsbedürftiger Wirkstoffe sowie die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen.
Deutlich negativer bewertete Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der pharmazeutischen Industrie (BPI), die aktuelle Lage. In seinen Augen fehlt nämlich die Wertschätzung für die Branchen, was er für eine zutiefst riskante und befremdliche Entwicklung hält. Denn nur mit Willenskraft, Durchhaltevermögen und Flexibilität sei es Industrie und Apotheken in den vergangenen Jahren gelungen, Versorgungslücken zu schließen. Wie viel Zeit sollten die Apotheken noch mit der Verwaltung von Engpässen verbringen statt diese in die Patientenberatung zu investieren, fragte er sich. Das Ausmaß der »politischen Kurzsichtigkeit« zeigt sich für ihn etwa beim Thema Tamoxifen und Paracetamol-haltigen Fiebersäften für Kinder. Dass nun das BMG ausgerechnet bei den Offizinen den Rotstift ansetzen will, ist im »vollkommen unverständlich«.
Auf die enge Zusammenarbeit von Apotheken und forschenden Pharmaunternehmen setzt der Vorstandsvorsitzende des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) Han Steutel. Schließlich könne die beste und innovativste Therapie nur bei richtiger Anwendung optimal wirken, hob er hervor. Damit meint er zum einen das pharmazeutische Fachwissen und zum anderen die richtige Ansprache durch die Apotheker. Auch was das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz angeht, sieht Steutel die Apotheker hinsichtlich der BMG-Sparpläne als Leidgenossen der Hersteller. In diesem Zusammenhang missfällt dem vfa vor allem, dass Schrittinnovationen in Zukunft »eher bestraft als gefördert werden« – und zwar auf Kosten der Patienten.
Das eingespielte Team aus Apotheke und Großhandel erachtet auch André Blümel, Vorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) als »Erfolgsgaranten für eine verlässliche Arzneimittelversorgung«. Als Beispiel nannte er die insgesamt 125 Millionen Covid-19-Impfstoffdosen, die man gemeinsam samt Impfzubehör ausgeliefert habe. Apotheker und Großhändler hätten zwar die Logistik gestemmt, obwohl diese »längst nicht mehr ausreichend finanziert« sei. Hinzu kämen Inflation, Energiekrise, eine schwierige Rohstoffversorgung sowie Lieferkettenprobleme.
Bedauernd blickte auch Blümel auf die Kostensparpläne des BMG. Wolle die Politik die Infrastruktur von Herstellern, Apotheken und Großhandel erhalten, müsse sie investieren. Anstoß nimmt er zudem an dem Widerspruch seitens des BMG, auf der einen Seite die Vor-Ort-Apotheke stärken zu wollen und dann auf der anderen Seite das Dispensierrecht auf die Mediziner zu verlagern. Dabei spielte er auf die BMG-Entscheidung an, Hausärzten die Abgabe von Paxlovid-Packungen direkt an Patienten zu ermöglichen.