Springende Gene zur Genomeditierung |
Theo Dingermann |
05.07.2024 09:00 Uhr |
An präzisen Methoden, mit denen sich das Genom verändern lässt, wird seit Langem geforscht. Eine Option könnten Insertionselemente sein. / Foto: Getty Images/Yuichiro Chino
Mit Casgevy® wurde Anfang des Jahres erstmals ein Gentherapeutikum auf Basis der CRISPR/Cas-Technologie in Europa zugelassen. Es wird eingesetzt zur Korrektur einer schweren Sichelzellkrankheit oder einer transfusionsabhängigen Beta-Thalassämie. Dieser Erfolg markiert sicherlich nur einen Anfang auf dem Gebiet der therapeutischen Genomkorrekturen.
Die CRISPR/Cas-Methode hat aber auch ihre Limitationen. Sie eignet sich in erster Linie, um punktuell im Genom Korrekturen vorzunehmen; größere Bereiche können bislang nicht gut bearbeitet werden. Außerdem werden dabei DNA-Doppelstrangbrüche eingeführt, die durch zelleigene Reparaturmechanismen wieder geschlossen werden. Dabei können Fehler passieren. Außerdem gibt es keine 100-prozentige Sicherheit, dass es bei der Intervention nicht doch zu einem gefürchteten sogenannten Off-Target-Ereignis kommt.
Umso mehr lassen drei Arbeiten aufhorchen, die jetzt in den Fachjournalen »Nature« (10.1038/s41586-024-07570-2, 10.1038/s41586-024-07552-4) und »Nature Communications« (10.1038/s41467-024-49474-9) publiziert wurden. Die Autoren dieser Arbeiten passten die Biologie sogenannter Transposons so an, dass mit ihrer Hilfe große DNA-Abschnitte sehr präzise an ausgewählte Stellen ins Genom integriert oder auch herausgeschnitten werden können.
Transposons sind springende Gene. Ähnlich wie sich Textblöcke in einem elektronischen Dokument nach dem Cut-and-Paste-Konzept verschieben lassen, können auch diese mobilen genetischen Abschnitte in einer genomischen DNA ausgeschnitten und an anderer Stelle wieder eingefügt werden. Das geschieht mithilfe spezifischer Enzyme, die von den Transposons selbst codiert werden und die die Forschungsteams isolierten und charakterisierten.
Die einfachste Form eines Transposons ist ein sogenanntes Insertionselement (IS-Element). Es besteht im Prinzip aus zwei Begrenzungssequenzen und dem dazwischenliegenden Gen für eine Rekombinase. Dieses Enzym katalysiert das Ausschneiden und Einfügen des springenden Elements an einem neuen Genomort, es kann also die DNA-Stränge schneiden und wieder verbinden. Zwei Gruppen von IS-Elementen, IS110 und IS1111, haben sich die Forschenden genauer angeschaut. Dabei entdeckten sie, dass diese IS-Elemente zusätzlich zum Rekombinase-Gen noch eine nicht codierende Region aufweisen, von der eine sogenannte bridge RNA (bRNA) oder seeker RNA (seekRNA) abgelesen wird, über die die Insertionsposition festgelegt wird.
Diese RNA-Moleküle binden an die vom IS-Element codierte Rekombinase. Zudem besitzen sie an ihren Enden zwei Erkennungssequenzen: Eine ist komplementär zu der Stelle im Erbgut, in die das DNA-Element integriert werden soll, und die andere ist komplementär zu einem Teil der zu inserierenden DNA, also zum IS-Element selbst. Durch Bindung an die jeweiligen homologen Sequenzen bringen die bRNA beziehungsweise seekRNA die Ziel-DNA und das IS-Element, das integriert werden soll, in räumliche Nähe und erlauben eine gezielte Rekombination.
Das Bemerkenswerte an der Entdeckung der drei Arbeitsgruppen ist, dass man die beiden Erkennungssequenzen der bRNA beziehungsweise der seekRNA gezielt verändern kann. Damit ist es möglich, quasi eine beliebige Zielstelle im Erbgut anzusteuern, um dort das gewünschte DNA-Element zu integrieren. Die Forschenden zeigen somit einen neuartigen Weg auf, wie sich Genome editieren lassen.