SOS aus Hamburger Apotheken und Praxen |
Daniela Hüttemann |
24.08.2023 15:00 Uhr |
Dafür hatte der Vorstand der Apothekerkammer anschließend ausführlich Gelegenheit, mit Tschentscher zu sprechen. »Das Lieferengpass-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bewirkt rein gar nichts«, kritisierte Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg im persönlichen Gespräch. Das Gesetz war im vergangenen Juni beschlossen worden. Die Lage sei jetzt schon schlimm – und das noch vor den nächsten großen Infektionswellen.
Er erklärte Tschentscher, dass gerade der Mangel bei den Kinderarzneimitteln durch die rigide Preispolitik hausgemacht sei, denn in anderen Ländern waren zeitgleich zur großen Krise in Deutschland Ibuprofen- und Paracetamol-Säfte ausreichend in Apotheken- und Supermarktregalen zu finden gewesen, beispielsweise in den Niederlanden, Spanien und Tschechien. »Ich hätte sie kistenweise importieren können, durfte es aber nicht«, so Siemsen und erntete ein erstauntes »Aber warum denn nicht?« von einer Politikerin, die sich der zahlreichen Regularien nicht bewusst war. Denn trotz des eklatanten Missstands wurde für die Kinder-Fiebersäfte kein offizieller Mangel festgestellt, kritisierte Siemsen.
Mediziner und Bürgermeister Tschentscher war sich indessen genauso wenig wie bis vor Kurzem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Klaren, wie die Arzneimittelpreise überhaupt zustande kommen. Siemsen berichtete Tschentscher, dass selbst die offiziellen Listenpreise für Generika in Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Drittel liegen und nach Abzug von Festbeträgen und Rabatten ganz am unteren Ende. »Wohin das führt, haben wir bei den Fiebersäften gesehen«, so Siemsen. Immerhin erbat sich der Bürgermeister, der Apothekerkammerpräsident möge ihm nun mehr Informationen darüber schicken.
Währenddessen sprachen sich die Kammervizepräsidentinnen Petra Kolle und Stefanie Eckard sowie Dr. Dorothee Dartsch und Christine Bezold-Hornek vom Vorstand gemeinsam mit der Fachschaftsvertreterin Rebekka Roos für eine bessere Ausstattung und mehr Studienplätze für das Pharmaziestudium in Hamburg beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Kienscherf aus. Dieser versprach, das Problem demnächst im Rathaus anzusprechen.
Auch die verschiedenen Berufsbilder ließ er sich von den Apothekerinnen erklären und warum es den Apotheken eben nicht mehr so gut geht wie vor 30 Jahren – ein Bild von früher, das viele Politiker noch im Kopf haben, wenn sie an Apotheker denken. Kolle erzählte, sie habe schon öfter Politikerinnen und Politiker zum Besuch ihrer Apotheke eingeladen, doch bislang sei niemand gekommen. Die Hamburger Pharmazeuten hoffen, dass sie sich nun auf Hamburgs höchster politischer Ebene beim Sommerfest mehr Gehör verschaffen konnten.