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Heilberufekammern

SOS aus Hamburger Apotheken und Praxen

Zu viel Bürokratie, zu wenig Personal und Honorar, Nachwuchssorgen und knappe Medikamente: Am gestrigen Mittwochabend sprachen die Hamburger Heilberufekammern brennende Themen der Gesundheitsversorgung gemeinsam bei Bürgermeister Peter Tschentscher an.
Daniela Hüttemann
24.08.2023  15:00 Uhr

Gesundheitsreformen mit fantasievollen Namen im Jahrestakt und trotzdem wird eines der besten Gesundheitssysteme der Welt eher schlechter als besser, konstatierte Konstantin von Laffert, Präsident der Zahnärztekammer Hamburg, am Mittwochabend zur Begrüßung beim zweiten gemeinsamen politischen Sommerabend der fünf Hamburger Heilberufekammern. Human- und Zahnärzte, Tiermediziner, Psychotherapeuten und Apotheker hatten Hamburgs Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (selbst Labormediziner), Staatsrat Tim Angerer aus der Sozialbehörde, den SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf und weitere Bürgerschaftsabgeordnete eingeladen, um über Lösungen für die vielen Probleme im Gesundheitswesen zu sprechen.

Die sind bei allen Heilberufen sehr ähnlich: Überall fehlt Personal. Junge Menschen zögern aufgrund der derzeitigen Arbeits- und Rahmenbedingungen, einen medizinisch-pharmazeutischen Ausbildungsberuf zu ergreifen, in die Pflege zu gehen oder sich gar mit einer eigenen Praxis oder Apotheke selbstständig zu machen. Patienten warten auch in Hamburg teils monatelang auf Arzt- und Psychotherapie-Termine, Kinderärzte nehmen keine neuen Patienten mehr an, Apotheken schließen und versuchen den Großteil ihrer Zeit, die Lieferengpässe irgendwie zu managen.

Große Unzufriedenheit bei Patienten und Personal

Die Ärzte kämpfen noch mit dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur sowie der Digitalisierung, und überall nimmt die Bürokratie überhand. »Es herrscht gerade eine große Unzufriedenheit, sowohl beim Personal als auch bei den Patienten«, so der Präsident der Zahnärztekammer. Die flächendeckende ambulante Versorgung könne auch in Hamburg nicht mehr so gewährleistet werden, wie die Bevölkerung es gewohnt sei und erwarte.

Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Neurochirurg Dr. Pedram Emami, brachte neben vielen anderen Problemen auch die Lieferengpässe insbesondere bei Antibiotika und Fiebersäften zur Sprache, womit er selbst auch als Patient schon leidvolle Erfahrungen gemacht hätte. Apotheken und Ärzte müssten von Woche zu Woche schauen, wie sie die Patienten versorgen können; Kranke müssten zum Teil »die halbe Stadt abklappern«, bis sie das verordnete Medikament erhalten.

Bürgermeister Tschentscher betonte in seinem Grußwort, wie wichtig der Gesundheitssektor mit mittlerweile mehr als 200.000 Mitarbeitenden für Hamburg sei (das sind mehr als in der Hafenwirtschaft) und welch hohen Stellenwert die medizinische Versorgung in der Gesellschaft habe.

Im offiziellen Teil äußerte vor allem Verständnis und versprach wenig Konkretes; nur dass sich die gesamte Politik bewusster mit der Medizin und dem Gesundheitssystem befassen müsse, denn Gesundheitspolitik sei zugleich auch Sozialpolitik. In Hamburg wolle man sich demnächst verstärkt um die Ausbildungsberufe kümmern und generell steht der Fachkräftemangel auf der Agenda. Zudem sprach er über die anstehende Krankenhausreform, erwähnte jedoch die Apotheken mit keinem Wort.

Apotheker kritisieren Arzneimittelpreise, Politiker kennen Regeln kaum

Dafür hatte der Vorstand der Apothekerkammer anschließend ausführlich Gelegenheit, mit Tschentscher zu sprechen.  »Das Lieferengpass-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bewirkt rein gar nichts«, kritisierte Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg im persönlichen Gespräch. Das Gesetz war im vergangenen Juni beschlossen worden. Die Lage sei jetzt schon schlimm – und das noch vor den nächsten großen Infektionswellen.

Er erklärte Tschentscher, dass gerade der Mangel bei den Kinderarzneimitteln durch die rigide Preispolitik hausgemacht sei, denn in anderen Ländern waren zeitgleich zur großen Krise in Deutschland Ibuprofen- und Paracetamol-Säfte ausreichend in Apotheken- und Supermarktregalen zu finden gewesen, beispielsweise in den Niederlanden, Spanien und Tschechien. »Ich hätte sie kistenweise importieren können, durfte es aber nicht«, so Siemsen und erntete ein erstauntes »Aber warum denn nicht?« von einer Politikerin, die sich der zahlreichen Regularien nicht bewusst war. Denn trotz des eklatanten Missstands wurde für die Kinder-Fiebersäfte kein offizieller Mangel festgestellt, kritisierte Siemsen.

Mediziner und Bürgermeister Tschentscher war sich indessen genauso wenig wie bis vor Kurzem  Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Klaren, wie die Arzneimittelpreise überhaupt zustande kommen. Siemsen berichtete Tschentscher, dass selbst die offiziellen Listenpreise für Generika in Deutschland im europäischen Vergleich im unteren Drittel liegen und nach Abzug von Festbeträgen und Rabatten ganz am unteren Ende. »Wohin das führt, haben wir bei den Fiebersäften gesehen«, so Siemsen. Immerhin erbat sich der Bürgermeister, der Apothekerkammerpräsident möge ihm nun mehr Informationen darüber schicken.

»Den Apotheken geht’s doch gut, oder?«

Währenddessen sprachen sich die Kammervizepräsidentinnen Petra Kolle und Stefanie Eckard sowie Dr. Dorothee Dartsch und Christine Bezold-Hornek vom Vorstand gemeinsam mit der Fachschaftsvertreterin Rebekka Roos für eine bessere Ausstattung und mehr Studienplätze für das Pharmaziestudium in Hamburg beim SPD-Fraktionsvorsitzenden Kienscherf aus. Dieser versprach, das Problem demnächst im Rathaus anzusprechen.

Auch die verschiedenen Berufsbilder ließ er sich von den Apothekerinnen erklären und warum es den Apotheken eben nicht mehr so gut geht wie vor 30 Jahren – ein Bild von früher, das viele Politiker noch im Kopf haben, wenn sie an Apotheker denken. Kolle erzählte, sie habe schon öfter Politikerinnen und Politiker zum Besuch ihrer Apotheke eingeladen, doch bislang sei niemand gekommen. Die Hamburger Pharmazeuten hoffen, dass sie sich nun auf Hamburgs höchster politischer Ebene beim Sommerfest mehr Gehör verschaffen konnten.

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