Sojaprotein ist kein Statin-Ersatz |
Eine Sojaprotein-reiche Ernährung kann dazu beitragen, den Cholesterol-Spiegel zu senken. Für die Einnahme isolierter Sojaproteine oder Soja-Isoflavone in Form von Nahrungsergänzungsmitteln ist dies bislang nicht belegt. / © Adobe Stock/Mikhailov Studio
Erhöhte Cholesterolwerte sind ein bekannter Risikofaktor für das Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen. Schätzungsweise verringert eine Senkung des LDL-Cholesterols um 5 bis 6 Prozent das kardiovaskuläre Risiko um 7 bis 12 Prozent. Vorrangige Maßnahme ist eine ausgewogene Ernährung. Therapeutisch sind Statine das wichtigste Standbein, wobei die Wirkstoffgruppe nicht nur den Cholesterolspiegel, sondern nachweislich auch das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und die Mortalität senkt.
Die Rolle von Sojaprotein zur Senkung erhöhter Blutfettwerte wird schon seit Langem diskutiert. In mehreren Ländern wurde ein Zusammenhang zwischen der Einnahme und der Senkung des Cholesterolspiegels als Health Claim evaluiert. Solche Claims enthalten gesundheitsbezogene Angaben, die einen Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit beschreiben. Sie werden von Behörden wie der US-amerikanischen FDA oder der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA wissenschaftlich bewertet und zugelassen beziehungsweise abgelehnt.
Unter anderem in den USA, in Großbritannien, Brasilien und Südafrika dürfen Hersteller damit werben, dass Sojaprotein als Bestandteil einer Ernährung mit wenigen gesättigten Fetten und Cholesterol dazu beitragen kann, den Cholesterolspiegel zu senken. Dabei wird teilweise spezifiziert, dass eine Menge von 25 g Sojaprotein pro Tag für diesen Effekt notwendig sei. Das entspricht circa drei Gläsern Sojamilch oder circa 175 g Tofu.
Zwei Metaanalysen bestätigen eine Senkung der LDL-Serumspiegel sowie der Triglyceride um knapp 5 mg/dL bei Zufuhr von 25 g Sojaprotein pro Tag mit der Ernährung gegenüber Kontrollpersonen, die kein Sojaprotein zu sich nahmen. Die Ergebnisse dieser Studien lassen sich aber weder auf die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln übertragen noch lässt sich daraus ableiten, welche Bestandteile der Sojaprodukte für den Effekt verantwortlich sind.
Die EFSA lehnte 2012 folgenden Health Claim zu isoliertem Sojaprotein ab: »Der eiweißreiche Sojabohnenbestandteil senkt nachweislich den Cholesterolspiegel im Blut, eine Senkung des Cholesterolspiegels im Blut kann das Risiko einer (koronaren) Herzerkrankung verringern.« Der Grund für die Ablehnung: Auf Grundlage der bewerteten wissenschaftlichen Erkenntnisse habe die behauptete Wirkung nicht nachgewiesen werden können. Hierbei wurden vier randomisierte kontrollierte Studien (RCT) berücksichtigt, die eine Wirkung von isoliertem Sojaprotein auf die Cholesterolkonzentration im Blut berichteten. 14 RCT hingegen fanden keine Wirkung und eine RCT zeigte inkonsistente Wirkungen. Zudem bestand ein hohes Risiko für Verzerrungen der meisten RCT.
In den letzten zehn Jahren wurden zusätzlich drei systematische Reviews mit Metaanalyse zum lipidsenkenden Effekt isolierter Sojaproteine oder Sojaisoflavone verfasst. Zwei davon bezogen sich ausschließlich auf postmenopausale Frauen. Eine davon konnte keinen signifikanten Effekt einer Supplementierung mit Sojaisoflavonen auf jegliche Blutfettwerte ermitteln, die andere eine signifikante Senkung der Triglyceride um 12,5 mg/dL. Der Effekt kam dabei durch neun Studien zustande, die nur Frauen unter 65 Jahren eingeschlossen hatten. Relevante Effekte auf die Cholesterolwerte konnten nicht gezeigt werden.
Eine Metaanalyse mit 29 RCT aus den Jahren 1998 bis 2018 berichtete über eine signifikante Reduktion des Gesamtcholesterols bei postmenopausalen Frauen um 4,6 mg/dL. Die Veränderungen von LDL, HDL und Triglyceriden waren nicht signifikant. In dieser Analyse wurde ein möglicher Bias (Verzerrung) detektiert.
Insgesamt sind die Ergebnisse der Reviews inkonsistent. Die herangezogenen Studien weisen verschiedene Verzerrungsrisiken auf und sind zudem heterogen in Bezug auf die untersuchte Population, die untersuchten Substanzen und deren Dosierung sowie die Intervention in den Kontrollgruppen.
In manchen Studien wurden Placebokontrollen eingesetzt, bei anderen wurde mit Casein, Milchprotein und weiteren Stoffen verglichen. Darüber hinaus ist nicht bekannt, ob die Einnahme von Sojaprotein zu einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse führt. Somit ist der Einfluss auf den tatsächlich patientenrelevanten Endpunkt unklar.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sojaprotein als Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung wahrscheinlich einen lipidsenkenden Effekt hat, der für LDL-Cholesterol und Triglyceride eine Reduktion um circa 5 mg/dl bewirken könnte. Ein lipidsenkender Effekt durch Einnahme isolierter Sojaproteine oder Sojaisoflavone ist dagegen nicht konsistent nachgewiesen. Die Einnahme entsprechender Nahrungsergänzungsmittel begleitend oder als Ersatz für ein Statin kann daher nicht empfohlen werden.
Literatur bei den Verfasserinnen
Die Apothekerinnen Dr. Lisa Goltz und Dr. Jane Schröder sind in der Arzneimittelinformation UKD der Klinik-Apotheke am Universitätsklinikum an der TU Dresden tätig. Dort unterstützen sie sächsische Apothekerinnen und Apotheker bei fachlichen Fragen im Rahmen der pharmazeutischen Dienstleistung »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation«. Die Beratung wird von der Sächsischen Landesapothekerkammer finanziert.