Smarte Kontaktlinsen messen und therapieren |
Christina Hohmann-Jeddi |
28.10.2024 18:00 Uhr |
Die Kontaktlinsen der Zukunft sollen zur Diagnostik und Therapie von Krankheiten genutzt werden können. / © Getty Images/scyther5
»Bei smarten Kontaktlinsen tut sich eine ganze Menge«, berichtete Professor Dr. Claus Cursiefen, Generalsekretär der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) und Direktor des Zentrums für Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, bei einer Pressekonferenz der DOG Anfang Oktober. Schon seit Langem gebe es die Idee, das Kunststoffstück nicht nur als Sehhilfe, sondern auch für zusätzliche Funktionen zu nutzen, etwa zur Diagnostik oder zur Anwendung von Therapeutika.
Beides einzeln sei bereits realisiert. So gebe es schon seit Jahren eine Linse, die Schwankungen im Augendruck über den Tageslauf messen kann, berichtete der Augenarzt. Dies sei zum Beispiel bei Glaukompatienten wichtig. Mit dieser Linse könne zu verschiedenen Zeitpunkten, auch in der Nacht oder früh morgens, der Augendruck wiederholt gemessen werden. Dazu bräuchte man noch eine Übertragungs- und Aufnahmeeinheit, aber zugelassen sei das Produkt bereits. Die Kontaktlinse Sensimed Triggerfish®, die für 24 Stunden den Augendruck monitoren kann, hat eine Zulassung der US-Behörde FDA.
Um smarte Kontaktlinsen für die Diagnostik breit in die Anwendung zu bringen, müsse zum einen noch am Tragekomfort und zum anderen an der Präzision der Messung gearbeitet werden, so die Einschätzung des Augenarztes. Prinzipiell lassen sich aber neben dem Augendruck auch die Augenbewegungen und eine Reihe von andern Krankheitsmarkern wie Glucose, Cholesterol, Harnsäure und verschiedene Proteine in der Tränenflüssigkeit messen, mit deren Hilfe man auf die entsprechenden Blutspiegel rückschließen könne.
Auch Kontaktlinsen, die man mit Wirkstoffen belädt und die diese dann kontinuierlich an das Auge abgeben, sind bereits auf dem Markt. Ein Beispiel sei eine in den USA zugelassene Kontaktlinse, die einen antiallergischen Wirkstoff enthält und freisetzen kann, berichtete Cursiefen. Gemeint ist das Produkt Acuvue Theravision® mit dem H1-Rezeptorantagonisten Ketotifen des Herstellers Johnson & Johnson. Eingesetzt werden kann sie bei schweren Allergien wie Heuschnupfen anstelle von häufiger Verwendung von Augentropfen. Auch in Israel sei bereits eine Kontaktlinse zugelassen, die verschiedene Arten von Wirkstoffen abgeben kann.
Für die Zukunft wünschenswert seien Linsen, die sowohl etwas diagnostizieren als auch therapeutisch fungieren, sagte Cursiefen. Dies sei interessant für Patienten mit Grünem Star oder auch Diabetes. Hier sei viel Spannendes unterwegs und zum Teil auch schon in der Klinik. »Dies ist aber noch Zukunftsmusik.« So genau ließen sich beispielsweise die Blutzuckerspiegel über die Messung am Auge bislang nicht bestimmen, um auf dieser Basis eine Insulinpumpe zu steuern.
Einige große Player arbeiteten an solchen Produkten, weshalb es relativ realistisch sei, dass sie irgendwann optimiert auf den Markt kommen, so die Einschätzung des Augenarztes.
Das Auge sei in vielerlei Hinsicht ein Fenster zum Gehirn, aber auch zum gesamten Körper, berichtete Cursiefen. Schon seit Langem könne man anhand der Netzhautgefäße diabetische Veränderungen oder etwa Bluthochdruck erkennen.
Jetzt gebe es eine spannende neue Entwicklung zur Diagnostik von neurodegenerativen Erkrankungen: Ein Forschungsteam aus Maastricht in den Niederlanden habe in Voruntersuchungen gezeigt, dass die für Alzheimer charakteristischen Proteine β-Amyloid und Tau im Tränenfilm von Patienten gemessen werden können. »Das Auge ist schließlich Teil des Gehirns«, sagte der Augenarzt. Somit ließen sich diese beiden Marker deutlich einfacher und weniger invasiv bestimmen als mit bisherigen Methoden.
In den Vorstudien hatte das Team aus Maastricht erstaunlich gute Werte für Sensitivität und Spezifität ihres Tests erreicht, berichtete der Experte. Aber auch hier sei noch einige Arbeit nötig, bis solche Tests auf den Markt kommen.