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Packungsbeilagen

Sind religiöse Hinweise erlaubt?

Dürfen im Beipackzettel religiöse Hinweise enthalten sein? Und müssen Ärzte ihre Patienten auf religiöse Besonderheiten hinweisen? Eine juristische Bewertung zeigt, wie schwer diese Fragen zu beantworten sind. Es scheint kaum möglich, allen Seiten gerecht zu werden.
AutorKontaktStephan Porten
AutorKontaktAlexandra Jorzig
Datum 03.06.2019  11:52 Uhr

Dass einmal das Arzneimittelgesetz mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit in Konflikt geraten könnte, hätte wohl auch so mancher Experte nicht vermutet. Tatsächlich muss sich seit einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion sogar die Bundesregierung mit dieser Thematik beschäftigen. Die Partei wollte wissen, ob Beipackzettel für Pankreaspulver-Präparate der Firma Nordmark mit der aus Enzyme­n der Schweine-Pankreas gewonnen­en Substanzen, eine Sure des Koran zitieren dürfen. Das Pharmaunternehmen hatte sich schon vor Jahren dazu entschieden, Muslime in deutscher und türkischer Sprache darauf hinzuweisen, dass der Koran durchaus vorsieht, in Notfällen muslimische Speiseregeln zu lockern. Die Patienten sollten auf diese Weise eine Hilfestellung bei einem Gewissenskonflikt erhalten.

Sind nun aber Ärzte rechtlich verpflichtet auf religiöse Besonderheiten von Patienten einzugehen? Die einfache Antwort ist Ja. Zunächst gilt nämlich das Grundgesetz (GG). Dieses enthält zum einen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und zum anderen ein Benachteiligungsverbot aus Glaubensgründen. Das Bundesverfassungsgericht sagt schon seit Jahrzehnten, dass dies nicht nur allgemeine Programmsätze sind, sondern auf die gesamte Rechtsordnung ausstrahlen. Das bedeutet, dass alle Gesetze die Werte des Grundgesetzes – und damit die Religionsfreiheit – beachten müssen. Auch das Behandlungs- und das Arzneimittelrecht bilden da keine Ausnahme. Konkret heißt das nicht, dass alle religiösen Besonderheiten immer proaktiv berücksichtigt werden müssen. Religionsfreiheit bedeutet, dass jeder seinen Glauben leben darf, nicht aber, dass der Staat und dessen Bürger stets eine optimale Religionsausübung garantieren müssen. Weist aber ein Patient ausdrücklich und konkret auf seine Überzeugungen hin, muss der Arzt dies auch bei der Behandlung berücksichtigen. Allerdings ist er nicht verpflichtet zu raten, zu mutmaßen oder selbst eine religiöse Prüfung vorzunehmen. Das geht zu weit.

Anknüpfungspunkt Arzneimittelgesetz

Was gilt für den Beipackzettel? Darf er religiöse Hinweise enthalten? Anknüpfungspunkt ist § 11 Absatz 1 Arzneimittelgesetz (AMG). Ob der Unternehmer einen freiwilligen Hinweis auf religiöse Regeln aufnehmen darf, hängt demnach davon ab, ob dieser mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang steht und ob dieser für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig ist. Schon aufgrund des Wortlauts könnte man beides bejahen.

Die medizinisch indizierte Anwendung kann bei vielen Patienten zu Gewissenskonflikten führen und sie womöglich von der Einnahme abhalten. Wenn man also Patientenautonomie ernst nimmt, dann ist ein freiwilliger Hinweis durchaus nachvollziehbar. Wichtig ist aber, dass die Religionsfreiheit im Rahmen der Auslegung des § 11 AMG zu berücksichtigen ist. Man muss also auch die Fragestellung berücksichtigen: Darf der Staat, hier in Form des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), einem Unternehmer das Anbringen eines solchen Hinweises verbieten? Das ist denkbar, wenn etwa gravierende Gründe gegen einen solchen Hinweis sprechen. Zum Beispiel, wenn dadurch die Gefahr einer Irreführung anderer Patienten bestünde oder sogar eine Gefährdung drohe. Reine Formvorschriften reichen aber nicht aus. Fehlen solche Hinweise, ist das jedoch kein Haftungsfall. Entscheidet sich ein Hersteller freiwillig für einen Hinweis, kann dies allerdings ernstzunehmende Gründe haben.

In diesem Zusammenhang stellt sich außerdem die Frage, ob ein Unternehmer eine einzige Patientengruppe herausnehmen darf, sprich: Benachteiligt er damit andere religiöse Patienten, in dem er nur der vermutlich größten Anwendergruppe mit religiösem Hintergrund einen Hinweis gibt? Hier ist das spezielle Gleichbehandlungsgebot gemäß Artikel 3 GG zu beachten. Auch dieses strahlt aus – kann also auch Bürger oder eben pharmazeutische Unternehmer binden. Auf der anderen Seite kann gerade die Größe der Gruppe bereits ein sachlich nachvollziehbarer Grund für eine solche Entscheidung sein. Allen gerecht zu werden, ist nicht möglich. Das darf aber nicht ausschließen, zumindest der größten Gruppe einen Hinweis zu geben. 

*Professor Dr. Alexandra Jorzig und Dr. StephanPorten sind Rechtsanwälte und Fachanwälte für Medizinrecht.

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