| Theo Dingermann |
| 17.04.2025 16:20 Uhr |
Für eine ursächliche Therapie der Parkinson-Erkrankung müsste man zugrunde gegangene dopaminerge Nervenzellen im Gehirn ersetzen. Erste klinische Studien mit Stammzelltransplantaten zeigen, dass dies sicher möglich ist. Ein Wirksamkeitsnachweis fehlt jedoch noch. / © Adobe Stock/merydolla
»Japans große Wette auf Stammzelltherapien könnte sich bald auszahlen«, titelt ein Feature in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals »Nature«. Und das scheint nicht übertrieben zu sein. Denn ebenfalls in dieser Ausgabe von »Nature« berichten Forschende um Professor Dr. Nobukatsu Sawamoto von der Universität Kyoto in Japan über positive Ergebnisse einer Phase-I/II-Studie mit Stammzellen bei sieben Patienten im Alter von 50 bis 69 Jahren mit idiopathischem Morbus Parkinson.
Bei der Parkinson-Krankheit sterben Neuronen ab, die von der Substantia nigra ins Corpus striatum reichen und dort Dopamin freisetzen. Es hatte deshalb zuvor bereits Versuche gegeben, bei Parkinson-Patienten die zugrunde gegangenen Zellen mit Stammzellen zu ersetzen, genauer gesagt mit fetalen Stammzellen. Diese Versuche waren jedoch gescheitert, weil die behandelten Patienten Dyskinesien entwickelt hatten. Hierunter versteht man unwillkürliche Bewegungen von Gesicht, Rumpf und Extremitäten, die auch unter der Einnahme von Parkinson-Medikamenten auftreten können und therapielimitierend sind.
Die in der aktuellen Studie eingesetzten Zellen waren dopaminerge Vorläuferzellen, die aus einer klinisch validierten iPS-Zelllinie (induzierte pluripotente Stammzellen) gewonnen worden waren. Die finale, zur Transplantation eingesetzte Zellpopulation bestand aus circa 60 Prozent Vorläuferzellen und 40 Prozent dopaminergen Neuronen, ohne Nachweis einer serotonergen Kontamination.
Die Transplantate wurden bilateral ins Gehirn appliziert, wobei drei Patienten eine niedrige Dosis von 2,1 bis 2,6 Millionen Zellen/Hemisphäre und vier Patienten eine höhere Dosis von 5,3 bis 5,5 Millionen Zellen/Hemisphäre erhielten. Um Abstoßungsreaktionen vorzubeugen, wurde eine immunsuppressive Therapie mit Tacrolimus für 15 Monate verabreicht.
Das primäre Ziel war es, die Sicherheit einer solchen Behandlung zu ermitteln. Während der Nachbeobachtungszeit von 24 Monaten zeigte keiner der sieben Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen. Insgesamt wurden 73 unerwünschte Ereignisse registriert, die meist leicht bis moderat waren. Bildgebend (MRT, PET) traten weder Tumorwachstum noch Entzündungszeichen auf. Die häufigste Nebenwirkung war ein Jucken an den Applikationsstellen.
Einzelfälle von Dyskinesien waren reversibel und traten ausschließlich während der sogenannten On-Zeiten auf. Das deutet darauf hin, dass die Dyskinesien nicht auf die Transplantation, sondern auf die Parkinson-Medikation der Patienten zurückzuführen waren, die diese während der Studie weiter einnahmen. Transplantatinduzierte Dyskinesien, wie man sie bei Transplantaten mit fetalen Stammzellen beobachtet hatte, traten nicht auf, wohl auch deshalb, weil das Transplantat frei von serotonergen Zellen war.
Bei sechs der sieben Patienten wurde im Phase-II-Teil der Studie eine erste Wirksamkeitsbewertung vorgenommen. Dabei zeigten vier Patienten gemäß der validierten Bewertungsskala MDS-UPDRS-III eine Verbesserung des Off-Scores und fünf Patienten eine Verbesserung des On-Scores.
Die durchschnittlichen Veränderungen aller sechs Patienten betrugen 9,5 beziehungsweise 4,3 Punkte, was 20,4 beziehungsweise 35,7 Prozent für die Off- beziehungsweise On-Scores bedeutete. Bei vier Patienten verbesserte sich zudem die Symptomatik auf der Hoehn-Yahr-Skala.
Bemerkenswert war, dass jüngere Patienten (< 60 Jahre) besser auf die Therapie ansprachen als ältere. Die jüngeren Patienten in dieser Studie hatten allerdings auch geringere Ausgangsscores, während die älteren Patienten mit fortgeschrittener Symptomatik nur geringfügig profitierten. Dies legt nahe, dass eine Patientenselektion entscheidend für den möglichen klinischen Erfolg einer Stammzelltransplantation bei Parkinson ist.
Ebenfalls in der aktuellen Ausgabe von »Nature« berichten Forschende um Dr. Viviane Tabar vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York über die Ergebnisse einer offenen Phase-I-Studie (NCT04802733), in der zwölf Parkinson-Patienten mit Bemdaneprocel behandelt wurden. Bemdaneprocel enthält kryokonservierte, serienmäßig hergestellte dopaminerge Neuronen-Vorläuferzellen, die aus menschlichen embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) gewonnen werden.
Die in zwei Dosisgruppen (0,9 Millionen und 2,7 Millionen Zellen) bilateral in eine bestimmte Hirnregion (Putamen) transplantierten Zellen sollen den krankheitsbedingten Verlust dopaminerger Neurone ausgleichen. Alle Probanden erhielten eine zwölfmonatige Immunsuppression.
Über 18 Monate zeigte sich ein günstiges Sicherheitsprofil. Es traten keine Tumoren, keine immunvermittelten Komplikationen und keine transplantatinduzierten Dyskinesien auf, vermutlich auch weil bei der Herstellung von Bemdaneprocel ebenfalls darauf geachtet wird, dass keine serotonergen Verunreinigungen vorhanden sind.
In der hoch dosierten Kohorte verbesserte sich der MDS-UPDRS-III-Score im Off-Zustand im Mittel um 23 Punkte, was als klinisch relevante Verbesserung gewertet wird. Die guten On-Zeiten nahmen im Mittel um 2,7 Stunden zu. Explorative Endpunkte wie Off-Zeiten, Lebensqualität (PDQ-39) und motorische Scores im On-Zustand zeigten ebenfalls günstige Trends – jedoch ohne statistische Tests aufgrund der kleinen Stichprobe.
Auch diese Phase-I-Studie liefert erste Hinweise auf die Sicherheit, technische Machbarkeit und mögliche Wirksamkeit von dopaminergen Vorläuferzellen zur Zelltherapie bei Parkinson. Die vielversprechenden Ergebnisse, insbesondere bei der höheren Zellzahl, rechtfertigen weiterführende randomisierte Studien zur Überprüfung der klinischen Wirksamkeit. Der Hersteller Bluerock Therapeutics, eine Tochter der Firma Bayer, hat entsprechende Untersuchungen bereits angekündigt.
»Beide Studien zeigen, dass die Implantation von hES- oder iPS-Zellen über eine Beobachtungszeit von ein bis zwei Jahren sicher und verträglich zu sein scheint«, bestätigt Professor Dr. Paul Lingor vom Klinikum rechts der Isar der TU München, der nicht an den Studien beteiligt war. Allerdings erlaubten diese kleinen Studien keine definitiven Aussagen über die Wirksamkeit, schränkt der Experte ein. Er betont zudem, dass eine Heilung der Parkinson-Erkrankung durch solche Therapien nicht gegeben sei. Die Behandlungen könnten aber signifikant dazu beitragen, für Patienten länger eine gute Lebensqualität zu erhalten.
Professor Dr. Thomas Gasser vom Universitätsklinikum Tübingen merkt kritisch an, dass die Therapien überwiegend die motorischen Symptome zu verbessern scheinen. Für diese gebe es aber bereits eine Reihe anderer therapeutischer Optionen, etwa die tiefe Hirnstimulation oder eine Pumpentherapie. Ob kognitive oder andere nicht motorische Probleme, die im späteren Stadium der Parkinson-Krankheit die Lebensqualität in erster Linie definieren, durch einen Zellersatz ebenfalls positiv beeinflusst werden können, sei nach seiner Meinung unklar.