Schmerzen gehören nicht zum normalen Alterungsprozess |
Daniela Hüttemann |
05.09.2025 15:00 Uhr |
Etwa jeder zweite Patient mit chronischen Schmerzen erhält keine ausreichende Schmerztherapie. / © Getty Images/ljubaphoto
»Als Apothekerinnen und Apotheker können wir großen Einfluss nehmen, eine Chronifizierung zu vermeiden, und eine Schmerztherapie begleiten«, ist PharmD Isabel Waltering überzeugt. Bei einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammern Niedersachsen und Westfalen-Lippe auf Langeoog sprach sie über Schmerzen im Alter. Ihre wichtigste Botschaft an die Apotheker, aber vor allem die Patientinnen und Patienten: »Schmerzen sind kein normaler Teil des Alterungsprozesses. Das muss man nicht akzeptieren!«
Ebenso wichtig: Therapieziel und Erwartungshaltung. Schmerzfreiheit könne man oft nicht erreichen, aber fast immer eine deutliche Schmerzreduktion. »Das muss der Patient wissen«, so Waltering. Angestrebt werden 50 bis 80 Prozent Schmerzlinderung. »Es muss aushaltbar sein und dem Patienten wieder die Teilnahme an Aktivitäten ermöglichen, sodass der Alltag funktioniert und seine Selbstständigkeit erhalten bleibt«, erklärte die Referentin, die sowohl an der Uni Münster als Dozentin als auch als angestellte Apothekerin tätig ist.
PharmD Isabel Waltering / © PZ/Daniela Hüttemann
Dritter Punkt: »Dauerhafte Schmerzen sind meist multifaktoriell bedingt«, erklärte Waltering. »Sie sind meist behandelbar, aber nicht heilbar. Das erfordert eine Dauertherapie.« Diese wiederum brauche eine kompetente und empathische Begleitung durch die Apotheke.
Pharmazeuten können hier zum Beispiel Einnahmezeitpunkte optimieren, auf die korrekte Dosierung achten oder beim Austausch von Schmerzmitteln wie Opioidpflastern dafür sorgen, dass es weder zu einer gefährlichen Überdosierung noch zu einer Unterversorgung kommt. Ebenso eine große Rolle spielt die Adhärenzförderung sowie das »Mut machen«, um dran zu bleiben.
Neben diesen klassischen pharmazeutischen Aspekten könnten Apotheker die Patienten zu einer adäquaten Schmerztherapie hinlotsen. Sechs von zehn Menschen ab 65 Jahren bekommen ein Schmerzmittel auf Rezept; jeder zweite kauft sich zudem OTC-Analgetika, nannte Waltering Zahlen aus Studien. Im Optimalfall sei die Therapie bei chronischen Schmerzen jedoch so eingestellt, dass keine zusätzliche Selbstmedikation nötig ist. Wichtige Fragen, um den Schmerz und seine möglichen Ursachen einzugrenzen:
Treten die Schmerzen beispielsweise vor allem morgens auf und bessern sich im Laufe des Tages, spricht dies für eine rheumatoide Arthritis; schießen die Schmerzen ein, könnte es sich um neuropathische Schmerzen handeln. Dann ist ein Arztbesuch dringend anzuraten.
Waltering warb auch dafür, eine einfache Schmerzerfassung in der Apotheke durchzuführen, wenn Patienten über Schmerzen klagen. Patienten sollen die Schmerzintensität selbst einschätzen, ob in Worten, auf einer Skala von 1 bis 10 oder über Smileys. Gerade letzteres eigne sich besonders gut für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder bei Sprachbarrieren.
Waltering erinnerte zudem daran, dass Schmerzen im Alter anders erlebt werden. Wichtig zu wissen sei, dass die Schmerzempfindlichkeit im Alter nicht abnehme; bei Demenz nehme sie sogar zu. Schmerzen können sich auch als Kraftlosigkeit, Schwindel, Schlaflosigkeit, Appetitmangel, nächtliches Schwitzen, Depressionen oder verminderter Kognition äußern. Diese Effekte können sich zum Teil gegenseitig verstärken.
»Wichtig ist daher, das nicht einfach auszuhalten, sondern von Anfang an adäquat zu therapieren«, betonte die Referentin. Wenn hier am Anfang gespart werde oder auch aus Angst vor veränderten Körperfunktionen eine zu niedrige Dosis oder zu große Dosisintervalle gewählt werden, zahle man am Ende drauf: Der Patient mit längerem und mitunter stärkerem Leid und die Gesellschaft mit höheren Kosten aufgrund von Krankenhauseinweisungen oder früherer Pflegbedürftigkeit.
Neben diesen allgemeinem Punkten zur Schmerztherapie im Alter ging Waltering ausführlich auf die einzelnen Analgetika und ihre Eignung und Besonderheiten bei älteren Patienten ein.