Schleimhautimmunität durch zwei Impfstoffkandidaten |
Theo Dingermann |
07.08.2025 15:30 Uhr |
Die Nase ist die Eintrittspforte für respiratorische Viren wie SARS-CoV-2. Könnte sie eines Tages auch der Applikationsort für Covid-19-Impfstoffe sein? / © Adobe Stock/Angelina
Vor dem Hintergrund der jüngsten Aufkündigung aller Fördermittel im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffentwicklungen zum Schutz vor Atemwegsinfektionen durch das US-amerikanische Gesundheitsministerium lassen zwei Publikationen zur Entwicklung intranasaler Impfstoffe aufhorchen. Diese beruhen zwar nicht auf der mRNA-Technologie. Erste Ergebnisse lassen allerdings hoffen, dass durch sie eine mukosale Immunität etabliert werden könnte, eine Voraussetzung für einen Infektionsschutz.
Im Fachjournal »Science Advances« berichtet ein Team um Professor Dr. Paul Spearman vom Cincinnati Children’s Hospital und University of Cincinnati über die Ergebnisse einer offenen Phase-I-Studie. Ihm Rahmen der Studie wurde gesunden erwachsenen und jugendlichen Probanden der Impfstoffkandidat CVXGA1 als Nasenspray verabreicht. Hierbei handelt es sich um einen Parainfluenzavirus-5-(PIV5-)basierten Vektor, der das Spikeprotein des SARS-CoV-2-Stamms WA.1 codiert.
PIV5 ist ein einzelsträngiges RNA-Virus mit negativer Orientierung, das Menschen und viele Tierarten infizieren kann. Die Infektion in diesen Reservoirwirten verläuft in der Regel asymptomatisch und ist mit wenigen Sicherheitsbedenken verbunden. Somit könnte sich PIV5 als ein vielversprechender Vektor für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten beim Menschen erweisen, die unter anderem durch Corona-, Influenza- und Respiratorische Synzytialviren (RSV) verursacht werden.
Die Forschenden testeten CVXGA1 in zwei Dosierungen, eine mit 106 infektiösen Einheiten (PFU) und eine mit 107 PFU. Insgesamt nahmen 72 Personen an der Studie teil, darunter Infektions-Naive, Vorinfizierte oder solche, die bereits mit einem mRNA-Impfstoff geimpft waren. Die Probanden wurden nach der Impfung bis zu 335 Tagen nachbeobachtet.
CVXGA1 erwies sich als sehr gut verträglich. Es traten keine schweren Nebenwirkungen oder Fieber auf. Die häufigsten lokalen Reaktionen waren eine laufende Nase (25 Prozent), Halsschmerzen (10 Prozent) und Husten (13 Prozent). Systemische Beschwerden wie Kopfschmerzen (25 Prozent), Fatigue (13 Prozent) oder Myalgie (6 Prozent) waren ausschließlich mild oder moderat.
In allen Gruppen wurden Spike-spezifische IgA- und IgG-Antikörper gemessen sowie und IgG-Antikörper, die spezifisch für die Rezeptorbindedomäne (RBD) von SARS-CoV-2 waren. Die Anstiege waren bei dem höheren Dosisregime am stärksten, jedoch insgesamt eher moderat. Eine Serokonversion ließ sich bei 26 bis 36 Prozent der Probanden nachweisen. Neutralisierende Antikörper gegen WA.1 wurden nur schwach induziert.
Der Anteil von Probanden, bei denen als Nachweis einer mukosalen Immunität ein mehr als dreifacher Anstieg der nasalen IgA-Titer nachweisbar war, war unterschiedlich hoch. Bei Teenagern zwischen 12 und 17 Jahren, die eine hohe Impfdosis erhalten hatten, lag er bei bis zu 41 Prozent. Demgegenüber betrug der analoge Anteil bei Probanden zwischen 20 und 51 Jahren, die mit der niedrigen Dosis immunisiert worden waren, nur 14 Prozent.
Mehr als 90 Prozent der Teilnehmenden zeigten eine robuste CD8+-T-Zell-Antwort. Auch CD4+-Zellen mit TH1-Phänotyp wurden induziert.
Während des Beobachtungszeitraums, der in Delta- und Omikronwellen der Pandemie fiel, war die Inzidenz symptomatischer Infektionen in den Hochdosisgruppen deutlich niedriger im Vergleich zur niedrigen Dosisgruppe (11 bis 22 Prozent versus 73 Prozent). Kaplan-Meier-Analysen und Cox-Modelle ergaben eine geschätzte relative Wirksamkeit von 67,8 Prozent für den CVXGA1-Impfstoffkandidaten in der hohen Dosis.
In der zweiten Publikation im Wissenschaftsjournal »PNAS« geht es um einen Kandidaten, der noch nicht am Menschen getestet wurde. Die Daten, die Forschende um Cheng Chih Hsu von der Ohio State University in Columbus wiedergeben, stammen aus Versuchen mit Hamstern.
Der Impfstoffkandidat besteht aus gentechnisch modifizierten attenuierten Mumps- und Masernviren (MuV/MeV) als Träger für stabilisierte preS-6P Spikeproteine. Die monovalente Version dieses Impfstoffs codiert für das Spikeprotein der Virusvariante XBB.1.5, die trivalente zusätzlich für die Varianten WA1 und BA.1.
In Hamstern führte eine zweimalige intranasale Gabe sowohl des mono- als auch des trivalenten Impfstoffs zu hohen IgG- und IgA-Titern gegen WA1, BA.1 und XBB.1.5. Zudem induzierte der trivalente Impfstoff breit neutralisierende Antikörper (NAb) gegen XBB.1.5, EG.5 und JN.1 mit IC50-Titern von bis zu 1665. Auch gewebeständige, lungenspezifische CD4+- und CD8+-Gedächtniszellen (TRM-Zellen) ließen sich bei den geimpften Tieren nachweisen.
Nach Infektionen mit WA1, XBB.1.5, EG.5 oder JN.1 war bei mono- und trivalent geimpften Tieren keine Virusreplikation in Lunge oder Nase nachweisbar. Histologische Lungenschäden waren nicht erkennbar, im Gegensatz zu den Tieren in der Kontrollgruppe, die an schweren Pneumonien erkrankten. Bei einem direkten Kontakt der trivalent geimpften Hamster mit infizierten Tieren wurde keine Virusübertragung festgestellt – ein Hinweis auf eine sterilisierende Immunität durch Unterbindung der Transmission.
Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass beide Impfstoffplattformen ein Potenzial für intranasale SARS-CoV-2-Impfstoffe der nächsten Generation zeigen. Die Kombination von lokaler mukosaler Immunität, T-Zell-Aktivierung und hoher Sicherheit macht intranasale Vakzine zu einem zentralen Element künftiger Pandemiekontrolle.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.