Schlagabtausch zu Lieferengpässen im Bundestag |
Unter anderem die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink forderte bei einer Bundestagsdebatte mehr Flexibilität bei den Abgaberegeln in der Apotheke. / Foto: IMAGO/Future Image
Die Unionsfraktion hatte einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der einen Neun-Punkte-Plan zur Vermeidung von Lieferengpässen enthält. Darin hatten CDU/CSU unter anderem gefordert, dass Apotheken eine kostendeckende Vergütung für das Engpass-Management erhalten. Außerdem solle es einen »Beschaffungsgipfel« mit allen wichtigen Akteuren geben und neue Beschaffungsmöglichkeiten geprüft werden. (Hier können Sie alle Details zu dem Papier nachlesen.) Der Bundestag hat den Antrag zum Anlass genommen, die derzeitige Versorgunglage ausführlich (rund 70 Minuten) zu diskutieren. Die Ideen der Union wurden letztlich mehrheitlich abgelehnt.
Trotzdem zeigte sich während der Debatte, dass gerade die in den kommenden Monaten anstehende Diskussion des angekündigten Generika-Gesetzes für Apotheken spannend werden könnte. Denn insbesondere die Regierungsfraktionen SPD und Grüne kündigten an, dass Apotheken gewissermaßen als Dank für ihren Einsatz in der Engpass-Krise mit weiteren Erleichterungen rechnen können. Dirk Heidenblut, in der SPD-Bundestagsfraktion zuständig für Apothekenthemen, bedankte sich ausdrücklich bei den Pharmazeuten und deren Teams für deren Einsatz und forderte mehr Flexibilität bei den Abgaberegeln. Außerdem kündigte Heidenblut an, sich für eine Abschaffung der Null-Retaxationen starkmachen zu wollen. »Die Apotheken haben auch durch eigene Herstellungen dafür gesorgt, dass die Patienten trotzdem versorgt werden konnten. Wir brauchen mehr Flexibilität für die Apotheken – es wäre doch ein Treppenwitz, wenn die während der Pandemie eingeführten, erleichterten Abgaberegeln nun auslaufen. Ich sage auch deutlich, dass sich die Apotheken aus meiner Sicht keine Sorgen mehr wegen möglicher Null-Retaxationen machen sollten«, sagte er.
Ganz ähnlich äußerte sich Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. Sie sei den Apotheken dankbar, dass sie »rumtelefonieren«, um Arzneimittel zu beschaffen und unzählige Rückfragen mit den Ärzten in die Wege leiten. Klein-Schmeink forderte weitgehende Umstellungen der Verordnungsregeln. Es könne nicht sein, dass Apotheken Rücksprachen mit Ärzten halten müssten, weil beispielsweise eine bestimmte Packungsgröße verordnet wurde, die aber gerade nicht erhältlich ist. In diesen Fällen müssten die Apotheken flexibel auch andere Größen abgeben dürfen. »Damit tun wir uns einen Gefallen, aber auch den Apothekerinnen und Apothekern.«
Der Antrag der Union wurde von den Rednerinnen und Rednern aus mehreren Fraktionen heftig kritisert. Mehrere Abgeordnete wiesen darauf hin, dass es viele der dort vorgeschlagenen Regelungen schon gebe – beispielsweise die Datenbank für Lieferengpässe beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Und auch die Einberufung eines Beschaffungsgipfels wurde von vielen Abgeordneten als wirkungslos kritisiert. »Anstatt das Problem wirklich lösen zu wollen, wollen Sie einen weiteren Gesprächskreis gründen«, erklärte beispielsweise die SPD-Arzneimittelexpertin Martina Stamm-Fibich. Auch die Apotheken-Expertin der Grünen, Paula Piechotta, bezeichnete den Antrag als »substanzlos«. Als zentralen Punkt für die Behebung der vielfältigen Engpass-Gründe bezeichnete Piechotta die Reform der Rabattverträge, die das Bundesgesundheitsministerium vor dem Jahreswechsel in Eckpunkten angekündigt hatte. Kathrin Vogler, Gesundheitsexpertin der Linksfraktion, machte nicht nur der Unionsfraktion, sondern auch der Pharmaindustrie schwere Vorwürfe. Die Industrie habe ein »enormes Erpressungspotenzial«, was sich dadurch zeige, dass bei sinkenden Margen Arzneimittel teils aus dem deutschen Markt genommen würden. Sie forderte eine sanktionsbewährte Bevorratung für die Pharmaunternehmen.
Die Unionsfraktion wiederum verteidigte ihren Antrag und machte der Ampel-Koalition schwere Vorwürfe. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher von CDU/CSU, sagte: »Die Ampel hat nach wie vor keinen Plan gegen den Medikamentenmangel.« Sorge erinnerte daran, dass nach den BMG-Eckpunkten im Dezember bislang kein Gesetzentwurf zur Lösung der Problematik vorgelegt wurde. Er sprach von »Chaos mit Ansage« und »Dilettantismus« – schließlich habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mehrfach angekündigt, die Engpass-Situation verbessern zu wollen. Auch der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger machte Lauterbach schwere Vorwürfe: »Durch das Zwangs-Spargesetz GKV-Finanzstabilisierungsgesetz haben Sie der Pharmaindustrie geschadet.« Pilsinger wies darauf hin, dass Bayer seine Pharma-Sparte jetzt unter anderem in die USA verlege. »Die aktuelle Politik zerstört Wachstum im Pharma-Bereich. Herr Lauterbach, liefern Sie endlich, anstatt auf Twitter und in Talkshows nur rumzulabern«, so Pilsinger.