Schaden Multivitamine mehr als sie nützen? |
Laura Rudolph |
03.07.2024 14:30 Uhr |
Für gesunde Erwachsene gibt es in der Regel keinen Grund, täglich Multivitamin-Supplemente zu sich nehmen, so die Einschätzung von US-Forschenden. / Foto: Getty Images/superoke
Multivitamine sind insbesondere in den USA sehr beliebt. Etwa ein Drittel der Erwachsenen nimmt sie regelmäßig ein, in der Hoffnung, Krankheiten vorzubeugen und die Gesundheit zu fördern. Der Nutzen ist jedoch umstritten. Eine aktuelle Studie im Fachjournal »JAMA Network Open« legt nun sogar nahe, dass die tägliche Einnahme von Multivitamin-Präparaten die Sterblichkeit von gesunden Erwachsenen minimal erhöhen könnte.
Bereits vor zwei Jahren hatte das US-amerikanische Expertengremium Preventive Services Task Force untersucht, ob Multivitamine Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs vorbeugen können. Es kam zu dem Schluss, dass es keine ausreichende Evidenz gebe, um dies beurteilen und das Nutzen-Risiko-Verhältnis ermitteln zu können (»JAMA Network« 2022, DOI: 10.1001/jama.2022.8970).
Nun standen Multivitamine erneut im Fokus der Forschung. Ein Team um Dr. Erikka Loftfield von den National Institutes of Health in Rockville, Maryland, hat in einer groß angelegten Studie untersucht, wie sich die langfristige, tägliche Einnahme auf das Sterberisiko gesunder Erwachsener auswirkt. Insgesamt wurden 390.124 Probandinnen und Probanden ohne Krebs oder andere chronische Krankheiten in die Analyse einbezogen. Per Fragebogen gaben sie regelmäßig Auskunft über ihren Multivitamin-Gebrauch.
Knapp die Hälfte der Teilnehmenden (164.762 Probanden) verstarb innerhalb der Nachbeobachtungszeit, die bis zu 27 Jahre betrug. Nach statistischen Berechnungen erhöhte sich das relative Risiko zu sterben für diejenigen Probanden, die täglich Multivitamin-Präparate einnahmen, um 4 Prozent – verglichen mit Teilnehmenden, die solche Präparate seltener einnahmen (Hazard Ratio: 1,04). Auch das relative Risiko für die Top-Todesursachen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöhte sich um 4 Prozent. Das Autorenteam schlussfolgert daraus, dass es für gesunde Erwachsene aufgrund des fehlenden Nutzens in der Regel keinen Anlass gibt, täglich Multivitamine einzunehmen.
Die Studie weist jedoch einige Einschränkungen auf. So beruhen die Daten zur Multivitamin-Einnahme auf Selbstangaben und könnten teilweise fehlerhaft sein. Auch könnten einige Störfaktoren trotz Anpassung unberücksichtigt geblieben sein. Denn Menschen, die häufig Vitamine einnehmen, unterscheiden sich meist auch in weiteren, gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen von Menschen, die nie oder selten Supplemente einnehmen. Das Autorenteam erwähnt zudem eine mögliche Selektionsverzerrung: Teilnehmende mit fehlenden Daten könnten sich systematisch von denen mit vollständigen Daten unterscheiden, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränkt.