Ruf nach digitalen Produktinformationen wird lauter |
Jennifer Evans |
30.08.2024 14:00 Uhr |
Scrollen statt blättern: Für die Industrie spricht viel für elektronische Produktinformationen. Heilberufler sind kritischer. / Foto: Adobe Stock/Rethea B/peopleimages.com
Sofern es nicht selbsterklärend ist, muss jedem Medizinprodukt eine Gebrauchsanweisung beiliegen, um eine sichere Anwendung zu ermöglichen. Derzeit verlangt die EU ein Dokument in Papierform, das bei einigen Produkten locker mehrere hundert Seiten umfassen kann. Zudem sind Übersetzungen dieser sogenannten Instruction for Use (IFU) nötig, wenn ein Produkt gleich in mehreren EU-Mitgliedstaaten auf dem Markt ist.
Nur in Ausnahmefällen darf eine elektronische Version, also eine eIFU, zum Einsatz kommen. Das ist ausschließlich für Produkte möglich, die entsprechendes Fachpersonal anwendet. Darunter fallen zum Beispiel festinstallierte oder implantierbare Medizinprodukte sowie Software, die unter die europäische Medizinprodukte-Verordnung fällt, die Medical Device Regulation (MDR).
Bei der EU-Kommission läuft seit Kurzem eine Umfrage, in der professionelle Anwenderinnen und Anwender Feedback zu ihren Erfahrungen mit den eIFU geben können. Einige Stakeholder hierzulande weisen immer wieder auf die Vorteile der elektronischen Version hin, darunter der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Er rückt bei seinen Argumenten vor allem die Nachhaltigkeit sowie die Aktualität der Informationen in den Vordergrund.
Ein weiterer Vorteil liegt für den Verband darin, dass sich die Informationen im digitalen Dokument durch Suchfunktionen schneller finden lassen. Auch die Einbindung von Videos und Animationen, die weitere Erklärungen liefern, sowie die Möglichkeit, Darstellungen vergrößern zu können, hält er für zentrale Pluspunkte. Zudem seien die eIFUs stets aktuell, heißt es. Und etwaige Einsparungen im Papierverbrauch unterstützten darüber hinaus die EU-Nachhaltigkeitsziele.
Als einen zusätzlichen positiven Aspekt einer elektronischen Variante nennt der Verband die internationale Wettbewerbsfähigkeit. In Ländern wie Australien, Brasilien, Kanada oder den USA sind eIFUs für Medizinprodukte bereits etabliert.
Die ABDA hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder kritisch zur Einführung reiner digitaler Packungsbeilagen im Arzneimittelbereich geäußert und auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vor solchen Schritten gewarnt. Auch der Weltapothekerverband FIP hatte in diesem Jahr auf die rechtlichen und finanziellen Folgen für die Apotheken hingewiesen. Zudem befürchtet er Probleme bei der Therapietreue, da Patientinnen und Patienten durch die Informationsfülle überfordert sein könnten. Er forderte daher, dringend die Apothekerschaft einzubeziehen, bevor die EU eine flächendeckende Einführung verpflichtend macht. Das Thema elektronische Packungsbeilage ist nämlich ein wichtiger Punkt im geplanten EU-Pharmapaket.
Die EU-Kommission wünscht sich digitale Beipackzettel unter anderem deshalb, damit sich Arzneimittel leichter über die Ländergrenzen in Europa austauschen lassen. Vor dem Hintergrund andauernder Lieferengpässe hatte das Thema in den vergangenen Jahren immer immer mehr Brisanz bekommen. Derzeit ist im EU-Pharmapaket aber nicht vorgesehen, die digitalen Versionen verpflichtend zu machen. Die Kommission will es den Mitgliedsstaaten zunächst freistellen, ob sie die Packungsbeilage elektronisch, in Papierform oder beides parallel anbieten.