RSV-Prävention für Säuglinge im Handel |
Kerstin A. Gräfe |
04.10.2023 09:00 Uhr |
Die EU-Zulassung basiert unter anderen auf einer Phase-IIb-Studie (NCT02878330), der Phase-II/III-Studie MEDLEY (NCT03959488) und der Phase-III-Studie MELODY (NCT03979313). An der Studie MELODY nahmen 1490 Säuglinge teil, die höchstens ein Jahr alt waren und in der Schwangerschaft mindestens 35 Wochen ausgetragen wurden. Sie erhielten vor ihrer ersten RSV-Saison entweder eine intramuskuläre Injektion Nirsevimab oder Placebo. Als primärer Endpunkt war eine behandlungsbedürftige RSV-assoziierte Erkrankung der unteren Atemwege innerhalb von 150 Tagen nach der Injektion definiert.
Eine solche trat in der Nirsevimab-Gruppe bei zwölf Kindern (1,2 Prozent) und in der Placebogruppe bei 25 Kindern (5,0 Prozent) auf. Das entspricht einer Wirksamkeit gegen RSV-bedingte Atemwegserkrankungen von 74,5 Prozent. Des Weiteren wurden innerhalb von 150 Tagen sechs Säuglinge in der Beyfortus-Gruppe (0,6 Prozent) und acht Säuglinge in der Placebogruppe (1,6 Prozent) ins Krankenhaus eingeliefert. Damit betrug die Wirksamkeit gegen RSV-bedingte Hospitalisierung 62,1 Prozent.
Als häufigste Nebenwirkungen traten Hautausschlag, Fieber und Reaktionen an der Injektionsstelle auf.
Jahrelang hat sich im Bereich RSV nichts getan. Nun kommen plötzlich viele Neuigkeiten auf einmal. Neben Nirsevimab sind bereits RSV-Impfstoffe zugelassen, einer davon auch zur maternalen Impfung zum Schutz von Säuglingen. Nirsevimab stellt dagegen wie das seit vielen Jahren bekannte Palivizumab eine Möglichkeit der passiven Immunisierung dar. Sowohl Nirsevimab als auch Palivizumab sind neutralisierende Antikörper. In einer Metaanalyse, die in »JAMA Network Open« publiziert wurde, konnte eine vergleichbare Wirksamkeit von Nirsevimab, Palivizumab und dem noch nicht zugelassenen Motavizumab in Sachen Reduktion von RSV-Infektionen und RSV-bedingten Hospitalisierungen gezeigt werden (DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.0023).
Nirsevimab ist also zunächst einmal nichts grundlegend Neues. Allerdings kann der Wirkstoff dennoch als Schrittinnovation betrachtet werden. Denn das Besondere an Nirsevimab ist seine lange Halbwertszeit: Eine Einzeldosis reicht aus, um eine ganze RSV-Saison abzudecken. Palivizumab bietet dagegen nur einen einmonatigen Schutz, sodass fünf Injektionen pro RSV-Saison erforderlich sind. Zudem ist Nirsevimab für alle Säuglinge zugelassen, während Palivizumab nur für Risikokinder indiziert ist.
Es bleibt abzuwarten, wie die Empfehlungen für den Einsatz der Antikörper und Impfstoffe zukünftig aussehen werden und was auf dem Gebiet RSV noch hinzukommen wird. Einiges befindet sich nämlich noch in der Pipeline. Gegebenenfalls könnte es dann auch zur Kombination von Prophylaxeansätzen kommen, also etwa Schwangere gegen RSV impfen und Frühgeborene zusätzlich mit Antikörpern immunisieren.
Sven Siebenand, Chefredakteur