Rivaroxaban als neuer Standard |
Rivaroxaban war der erste direkte Faktor-Xa-Inhibitor. Er inhibiert selektiv und reversibel sowohl freien als auch im Prothrombinasekomplex gebundenen Faktor Xa. / Foto: Bayer
Vitamin-K-Antagonisten (VKA), deren Prototyp Warfarin 1941 entdeckt wurde, waren bis 2008 die einzigen verfügbaren oralen Antikoagulanzien zur Prävention und Therapie von venösen und arteriellen thromboembolischen Ereignissen. Zu den objektiven Schwierigkeiten ihres klinischen Einsatzes zählen ungünstige pharmakokinetische und -dynamische Eigenschaften, ein enges therapeutisches Fenster, zahlreiche Interaktionen sowie ein obligatorisches therapeutisches Monitorings zur Erreichung eines Zielwertes von 2,0 bis 3,0 für die International Normalized Ratio (INR). Zudem unterliegen das Target VKORC1 der beiden Arzneistoffe und insbesondere der Metabolismus von Warfarin genetischen Polymorphismen, was das optimale Dosieren der VKA zusätzlich erschwert.
Vor diesem Hintergrund war es klinisch geboten, dass mehrere Pharmaunternehmen mit Beginn der 1990er-Jahre umfassende Forschungs- und Entwicklungsprogramme initiierten, um therapeutische Alternativen im Bereich der Blutgerinnungshemmer zu schaffen. Bei Bayer stand sehr früh die aktivierte Serin-Protease Faktor Xa im Mittelpunkt des Interesses. Dieser Blutgerinnungsfaktor war schon lange bekannt als zentraler Schlüsselspieler der Blutgerinnung, der die Synthese von Thrombin katalysiert und damit Einfluss auf die Bildung von (Fibrin-reichen) Blutgerinnseln nimmt.
Mit der Zulassung von Xarelto im Jahr 2008 gelang dem Unternehmen ein lucky Punch, dessen klinischer und wirtschaftlicher Erfolg unter anderem auf dem kreativen Einsatz zweier herausragender Forscherinnen beruht: Dr. Elisabeth Perzborn und Dr. Susanne Röhrig. Noch im selben Jahr wurde diese Sprunginnovation mit dem Innovationspreis der Pharmazeutischen Zeitung ausgezeichnet.
Xarelto hat dosisabhängig eine Reihe von Indikationen. Dazu zählen unter anderem die Schlaganfallprophylaxe bei nicht valvulärem Vorhofflimmern, die Prophylaxe venöser Thrombosen und Embolien bei Patienten mit Hüft- oder Kniegelenksersatz sowie die Akut- und Langzeitbehandlung von Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen und Lungenembolien. Erst kürzlich hat die Europäische Kommission die Indikation von Rivaroxaban um zwei weitere Gebiete erweitert. Der orale Gerinnungshemmer darf zukünftig auch zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder symptomatischer peripherer arterieller Verschlusskrankheit und einem hohen Risiko für ischämische Ereignisse eingesetzt werden
Ungeachtet der zum Teil erbittert geführten Kontroversen in der deutschen Ärzteschaft zählen die Faktor Xa-Inhibitoren Rivaroxaban, Apixaban und Endoxaban sowie der direkte Thrombininhibitor Dabigatran heute zu den meistverordneten und umsatzstärksten Arzneimitteln in Deutschland. Sie reduzieren das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern ähnlich wie die VKA, lösen aber weniger Hirnblutungen aus.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal verliehen. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und sie kritisch zu beleuchten. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die Professoren Dr. Theo Dingermann und Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglieder der externen PZ-Chefredaktion, sowie der stellvertretende PZ-Chefredakteur Sven Siebenand.