Retax-Welle erzürnt die Apotheker |
Cornelia Dölger |
20.06.2023 13:15 Uhr |
Für selbst hergestellte Fiebersäfte gibt es derzeit viele Retaxierungen. / Foto: Adobe Stock/Racle Fotodesign
In Zeiten grassierender Arzneimittel-Lieferengpässe helfen viele Apotheken ihren Patientinnen und Patienten, indem sie benötigte Medikamente selbst herstellen. So geschehen in den vergangenen Monaten insbesondere mit Fieber- und Antibiotikasäften.
Im Hinblick auf die Erstattung durch die Kassen ist dies beileibe kein sorgloses Unterfangen für die Apotheken, denn falls bei solchen Rezepturen auch nur kleinste formale Fehler auf den Rezepten auftauchen, heißt es von Kassenseite schnell: keine Erstattung, Nullretax also. Angesichts der Engpässe aber – so war es zumindest von Kassenseite zugesichert worden – sollten die Apotheken bei der Arzneimittelherstellung unkomplizierter handeln können, eben um die Patienten schnell und ohne Furcht vor Retaxierungen versorgen zu können.
Dass dies zumindest bei der IKK classic nun doch anders gehandhabt wird, verdeutlicht der Ärger, dem einige Apotheker derzeit in den sozialen Medien Luft machen. Demnach flatterte dem Holzgerlinger Apotheker Björn Schittenhelm jetzt die Retaxierung eines im vergangenen Dezember in der Apotheke hergestellten Fiebersafts für Kinder ins Haus, weil auf dem Rezept die Dosierung fehlte. Schittenhelm berichtete darüber auf LinkedIn sowie im Gespräch mit der PZ.
Die Kasse verweigerte ihm demnach nicht nur das Honorar für die Herstellung, sondern auch die Auszahlung der Sachkosten. »Und das, obwohl die Kassen medienwirksam zugesichert hatten, dass sie hierbei auf die Apotheken zukommen«, ärgerte sich Schittenhelm. Auf seinen Post hin hätten sich bis zu zehn Kolleginnen und Kollegen gemeldet, denen es ähnlich ergangen war. »Deshalb würde ich von einer neuerlichen Retaxationswelle sprechen, auch wenn es meines Wissens bislang nur eine Kasse betrifft«, so Schittenhelm.
Selbstverständlich sei die betreffende Patientin über die richtige Dosierung aufgeklärt worden, zudem habe diese sogar auf der Rezeptur gestanden, nur eben nicht auf dem Rezept, erklärte Schittenhelm weiter. Im Übrigen sei das Rezept quasi von vornherein ein Formfehler gewesen, und zwar einer mit Ansage. Denn der Kinderarzt hatte ursprünglich ein Fertigarzneimittel vorgesehen, aber weil dieses eben nicht vorrätig war und mit dem Hintergrund, dass die Kassen den Apotheken entgegenkommen, sei das Medikament in der Apotheke selbst hergestellt worden. Das Ergebnis verärgert Schittenhelm und die betroffenen Kollegen zutiefst.
Und nicht nur sie. Auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) meldete sich gestern in dieser Sache zu Wort und kritisierte eine »neuerliche Retaxationswelle der Krankenkassen«. Demnach hätten in den vergangenen Tagen zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker der ABDA gemeldet, dass Krankenkassen derzeit insbesondere selbst hergestellte Fiebersäfte retaxieren. Dazu sagte der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann: »Es ist schon wirklich ein perfides Spiel, das die Krankenkassen da betreiben.«