Reiselustige Fotografinnen knipsten Geschichte |
Angela Kalisch |
12.05.2025 12:30 Uhr |
Das Alte Rathaus in Ingelheim am Rhein wird jedes Jahr im Frühling zum Ausstellungsort der Internationen Tage. / © PZ/Kalisch
Fotografieren ist heute so einfach und selbstverständlich wie nie zuvor. Vor allem im Urlaub ist die Live-Berichterstattung für die Zuhausegebliebenen ein wichtiger Bestandteil des Ausflugs in die Ferne. Dabei ist sowohl das Reisen als auch das Fotografieren in dem heute verbreiteten Ausmaß ein noch recht junges Phänomen.
Als vor 100 Jahren die erste Kleinbildkamera auf den Markt kam, war es möglich, mobil zu fotografieren, ohne mit großer Entourage auf Entdeckungsreise zu gehen. Um sich mit der Kamera auf den Weg in die Welt zu machen, brauchte es dennoch »Neugier, Mut und Abenteuerlust« – so auch das Motto der aktuellen Ausstellung der Ingelheimer Tage, die Fotografien von Fotografinnen auf Reisen aus den letzten 100 Jahren zeigt.
Rund 190 Werke von 21 Fotografinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, mit Aufnahmen aus 30 Ländern sind in den nächsten Wochen im Alten Rathaus in Ingelheim am Rhein zu sehen. Während zur Reisefotografie allgemein schon zahlreiche Publikationen existieren, ist die Konzentration auf Frauen hinter der Kamera ein noch wenig beachtetes Feld, wie die Kuratorin Katharina Henkel betont.
Die Ausstellung gliedert sich thematisch in drei Bereiche: die journalistische Auftragsfotografie, die wissenschaftliche Dokumentarfotografie und die freie künstlerische Fotografie, wobei die Grenzen teilweise fließend sind, da auch journalistische und dokumentarische Aufnahmen zweifellos häufig einen hohen künstlerischen Wert haben.
Als Auslandsreisen noch einem kleinen, wohlhabenden Personenkreis vorbehalten waren, ermöglichten Reisereportagen in Zeitschriften einem größeren Publikum den Blick in die Welt. Verlage schickten ihre Fotografen (und vereinzelt auch schon Fotografinnen) in ferne Länder, um ihren Leserinnen und Lesern fremde Kulturen und exotische Landschaften näherzubringen und mit der Zeit sicher auch ihre Reiselust zu wecken. Bei der dokumentarischen Fotografie begleiteten professionell ausgebildete Fotografinnen und Fotografen beispielsweise archäologische Ausgrabungen oder besuchten antike Stätten, um diese zumindest auf dem Papier vor dem Verfall zu bewahren und ihr Abbild für nachkommende Generationen zu erhalten.
Die Aufgabe der Fotografin bestand in diesen Fällen nicht nur darin, den kreativen Blick für bemerkenswerte Motive zu haben und den richtigen Moment zu erkennen, um diese festzuhalten. Vielmehr kam ihr die Rolle einer Botschafterin zu, wenn sie mit der Kamera nicht nur Landschaften und Sehenswürdigkeiten, sondern auch die Menschen in ihrem Alltag abbilden sollte. Eine respektvolle Begegnung auf Augenhöhe und eine freundlich zugewandte Neugier für das Gegenüber waren unabdingbare Voraussetzungen für authentische, einfühlsame Porträtaufnahmen.
Ein häufiges Motiv ist das Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, wie beispielsweise in der Japan-Reportage von Gerti Deutsch (1960). Fotografien aus einem Kaufhaus in Tokio mit westlich gekleideten Schaufensterpuppen oder häusliche Szenen, in denen ein Hund mit Essstäbchen gefüttert wird, zeigen ein Land und eine Gesellschaft im Umbruch.
Als besonders eindrücklich sind die Aufnahmen von Ré Soupault aus der Serie »Tunis Quartier reservé« (1939) hervorzuheben. Sie dokumentieren das Leben von Frauen, die an den Rand der Gemeinschaft gedrängt wurden und in Armut in einem abgeschlossenen Stadtviertel in Tunis leben mussten. Die Fotografien zeigen die Frauen mit Respekt und Würde und verharmlosen dennoch nicht ihre prekäre Situation. Dabei mag der weibliche Blick ein Vorteil sein bei der Darstellung, welche Rollen Frauen in patriarchalen Gesellschaften zugewiesen werden.