Reinigung des Gehirns beugt Demenz vor |
| Annette Rößler |
| 31.10.2025 14:30 Uhr |
Das glymphatische System reinigt das Gehirn von Schadstoffen. Forschende haben eine Methode entwickelt, mit der sich die Funktion des Systems anhand von MRT-Aufnahmen beurteilen lässt. / © Adobe Stock/merydolla
Das Gehirn muss fortlaufend von Proteinresten, Stoffwechselprodukten und anderen Abfallstoffen gereinigt werden. Diese Aufgabe übernimmt die Zerebrospinalflüssigkeit (CSF): Sie wird in den Hirnventrikeln in den sogenannten Plexus choroidei von spezialisierten Gliazellen gebildet und fließt dann, angetrieben durch den Blutdruck in den Arterien des Gehirns, durch einen die Blutgefäße umgebenden Hohlraum, den perivaskulären Raum (PVS). Von dort gelangt die CSF über Wasserkanäle in die Zellzwischenräume, sammelt Schadstoffe auf und wird schließlich über den PVS um die Venen abtransportiert.
Die CSF fungiert also im Gehirn wie die Lmyphflüssigkeit in der Peripherie. Daher gab man diesem Reinigungssystem bei seiner Entdeckung im Jahr 2012 den Namen glymphatisches System – zusammengesetzt aus »Glia« und »lymphatisches System«. Schon die Entdecker, ein Team um die dänische Neurobiologin Professor Dr. Maiken Nedergaard, vermuteten, dass Störungen des glymphatischen Systems zur Pathophysiologie von Morbus Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen beitragen könnten, weil dabei Proteine wie das β-Amyloid (Aβ) und das τ-Protein im Gehirn akkumulieren.
Tierversuche konnten seitdem nicht nur diesen Verdacht bestätigen, sondern auch zeigen, dass eine Fehlfunktion des glymphatischen Systems ebenso an der Entstehung der vaskulären Demenz beteiligt zu sein scheint. Diese nach der Alzheimer-Erkrankung häufigste Demenzform geht auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurück. Da man den Fluss der CSF allerdings bislang nur bei Mäusen direkt messen kann, gab es dafür noch keine Bestätigung aus Humanstudien.
Diese liefert nun ein Team von Forschenden um Hui Hong und Dr. Yutong Chen von der University of Cambridge in Großbritannien mit einer Publikation im Fachjournal »Alzheimers’ & Dementia«. Chen entwickelte als Medizinstudent an der Universität einen Algorithmus mit maschinellem Lernen, mit dem sich die Funktion des glymphatischen Systems anhand von normalen MRT-Aufnahmen beurteilen lässt. Diesen Algorithmus wendeten die Forschenden auf MRT-Scans von circa 40.000 Erwachsenen aus der UK Biobank an, um Biomarker zu identifizieren, die mit einem erhöhten Demenzrisiko assoziiert waren.
Während der Nachbeobachtungszeit von median 5,3 Jahren entwickelten 133 Personen eine Demenz. Die Forschenden fanden heraus, dass drei Faktoren, die bei Baseline eine Beeinträchtigung des glymphatischen Systems anzeigten, das Demenzrisiko erhöhten: eine reduzierte Diffusion von Flüssigkeit durch den PVS, eine verminderte Fließgeschwindigkeit der CSF und ein geringes Volumen der Plexus choroidei, wo die CSF produziert wird. Weitere Analysen der Datensätze der Probanden ergaben, dass verschiedene kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und Alkoholkonsum über eine Schädigung der kleinen Gefäße (Mikroangiopathie) im Gehirn mit der Fehlfunktion des glymphatischen Systems in Zusammenhang standen – eine mögliche Erklärung dafür, warum diese Faktoren das Demenzrisiko erhöhen.
»Obwohl wir mit der Interpretation von indirekten Markern vorsichtig sein müssen, liefert unsere Arbeit gute Evidenz aus einer sehr großen Kohorte, dass eine Störung des glymphatischen Systems bei der Demenzentstehung eine Rolle spielt«, sagt Chen in einer Mitteilung der Universität. Hong ergänzt, es habe bereits Hinweise darauf gegeben, dass eine Mikroangiopathie im Gehirn das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz beschleunigt. »Jetzt haben wir eine wahrscheinliche Erklärung dafür.« Die mit der Gefäßschädigung einhergehende Dysfunktion des glymphatischen Systems behindere wohl die Reinigung des Gehirns von Aβ und τ.
Welche Ansätze zur Demenzprävention lassen sich aus der Studie ableiten? Einerseits könnte man das glymphatische System stärken – durch Arzneistoffe, aber ganz einfach auch durch ausreichend Schlaf, denn Letzterer ist für das einwandfreie Funktionieren dieses Systems essenziell. Andererseits unterstreichen die Ergebnisse erneut, wie wichtig es auch für den Schutz vor Demenz ist, kardiovaskuläre Risikofaktoren zu kontrollieren.