»Reden Sie mit den Abgeordneten!« |
Wie sinnvoll sind Aktionen wie Apothekenstreiks? Das war eine Frage, über die die Mitglieder des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am 23. November diskutierten. Links Markus Oelze, der neu in den Vorstand gewählt wurde. / Foto: PZ/Orth
Wie kann der Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern (AVMP) am besten Einfluss auf die Politik nehmen und wie groß sind die Einflussmöglichkeiten? Diesen Fragen ging Axel Pudimat, Vorsitzender des AVMP, am vergangenen Mittwoch in seinem Bericht nach. Dabei machte er aus seiner Enttäuschung über die aktuelle Situation der Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern keinen Hehl. »Ich habe noch nie so viel Frust erlebt, und ich erlebe die Apothekenpolitik schon eine Reihe von Jahren«, sagte Pudimat. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe die Apotheker bisher links liegen gelassen oder gar nicht beachtet.
»Jeder Brief bewirkt etwas, jedes Gespräch nützt«, betonte der AVMP-Vorsitzende Axel Pudimat. / Foto: PZ/Orth
Dennoch rief der Verbandsvorsitzende die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, sich weiterhin um Einflussnahme zu bemühen. »Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir das Bundesgesundheitsministerium und die Abgeordneten im Bund und Land überzeugen.« Jeder Brief, der geschrieben werde, bewirke etwas. Jedes Politikergespräch nütze. Gefragt seien auch neue Ideen. So habe die als »singende Apothekerin« bekannt gewordene Doreen Wegner mit ihrem »Apotheken-Song-Video« viel bewirkt, lobte Pudimat.
Der Verbandsvorsitzende präsentierte auch Zahlen zur wirtschaftlichen Lage, die die Treuhand Hannover zusammengestellt hatte. Demnach seien Umsatz und Gewinn 2022 der Apotheken im Land zwar etwas gestiegen, problematisch sei aber die ungleiche Verteilung. So verzeichneten über 40 Prozent der Apotheken im vergangenen Jahr einen bedenklich geringen Umsatz. Und im kommenden Jahr kämen einer Prognose zufolge auf jede Apotheke möglicherweise Zusatzkosten von insgesamt etwa 30.000 Euro zu. Diese Summe setzt sich den Berechnungen zufolge zusammen aus 10.000 Euro an Mehrkosten für Energie (grob geschätzt), 7.000 Euro für die Erhöhung des Zwangsrabattes auf 2 Euro und 6.000 Euro für eine Tariferhöhung um 3 Prozent im kommenden Jahr. Dazu kommen 6.000 Euro für Einbußen im Zusammenhang mit dem Großhandel (grob geschätzt) und 1.000 Euro für die Warenwirtschaft, Versicherungen und andere Ausgaben. Wie hoch die Mehrkosten für Energie und Personal tatsächlich ausfallen, sei allerdings derzeit noch unklar.
Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), machte in seiner Rede seinen Ärger über den im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verankerten erhöhten Kassenabschlag deutlich. Durch das Gesetz seien die Apotheken vierfach belastet. »Ohne die Leistungen der Apotheken wäre Deutschland nicht so durch die Pandemie gekommen, wie wir durch die Pandemie gekommen sind. Und jetzt nimmt uns das Gesetz wieder Geld weg.« Dabei müssten die Apotheken schon hohe Belastungen durch die Inflation, gestiegene Kosten für Energie und Kraftstoff sowie die Anhebung der Tariflöhne bewältigen.
Der DAV habe viele Gespräche mit Bundestagsabgeordneten geführt, berichtete Dittrich. Diese wüssten aber nicht, wie eine Apotheke funktioniert. »Reden Sie mit Landtagsabgeordneten und laden Sie sie in die Apotheken ein«, appellierte Dittrich an die Verbandsmitglieder. Vor Ort könne man den Politikern am besten erläutern, welcher Aufwand beispielsweise das Management von Lieferengpässen bedeute. Auch wenn vieles auf Bundesebene entschieden werde, lohne es sich, mit Landtagsabgeordneten und Landesregierungen zu reden. Diese seien interessiert daran, die Versorgung in der Fläche zu erhalten, und könnten über den Bundesrat Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.
Der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich rief dazu auf, pharmazeutische Dienstleistungen verstärkt anzubieten. / Foto: PZ/Orth
Im kommenden Jahr werde es eine Strukturreform geben, informierte Dittrich. Neben weiteren Themen sprach der DAV-Vorsitzende auch die pharmazeutischen Dienstleistungen an. Im Juni habe die Schiedsstelle ihren Beschluss veröffentlicht. Am 8. August habe der GKV-Spitzenverband dagegen geklagt. Am 10. August folgten die Klage und der Antrag auf einstweilige Anordnung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, fasste Dittrich zusammen. Bei den Klagen gehe es im Wesentlichen um das Blutdruckmessen und um die Höhe des Honorars für die einzelnen pharmazeutischen Dienstleistungen. Mit dem Schiedsspruch stünden den Apotheken etwa 150 Millionen Euro jährlich für die pharmazeutischen Dienstleistungen zur Verfügung. »Wenn wir diese Summe nicht ausschöpfen, wird es für uns schwierig zu argumentieren«, gab Dittrich zu bedenken.
Er appellierte eindringlich an die Verbandsmitglieder, die Dienstleistungen nun auch anzubieten, auch wenn dies angesichts des Personalmangels schwierig sei. Dabei handele es sich um eine Leistung, die Apotheker selbst auslösen können. »Das ist eine riesige Chance für uns. Diese Chance müssen wir unter allen Umständen ergreifen«, machte Dittrich deutlich. Widerspruch erntete der DAV-Vorsitzende dabei von einer Apothekerin. Sie wies darauf hin, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen viel Arbeit machten. Angesichts der dünnen Personaldecke sehe sie keine Möglichkeit, sie weiterhin anzubieten.
Praktische Hilfestellung für die Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen gab Marco Neumann, Inhaber aus Stralsund, mit seinem Vortrag. Darin informierte er die Kolleginnen und Kollegen über wichtige Eckpunkte zu den einzelnen Dienstleistungen und gab Tipps zur Durchführung und Abrechnung. Neumann wurde im weiteren Verlauf der Mitgliederversammlung in den Vorstand des AVMP gewählt.
Auf Entwicklungen und Schwierigkeiten beim Thema Hilfsmittelversorgung ging Kai Kallbach, Bereichsleiter Arzneimittel und Hilfsmittel bei der ABDA, in seinem Vortrag ein. Zwar machten Hilfsmittel mit einem Umsatz von 800 Millionen Euro im vergangenen Jahr lediglich 1,4 Prozent des Umsatzes der öffentlichen Apotheken im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aus. Dennoch sollten sich Apotheken diesen Umsatz nicht entgehen lassen. Aufgrund des hohen Aufwands für die Präqualifizierung zögen sich immer mehr Apotheken aus der Hilfsmittelversorgung zurück, berichtete Kallbach. Die Präqualifizierung sei überreguliert. Die Verfahren seien immer kleinteiliger und unübersichtlicher geworden, die Durchführung sei zu zeit- und kostenintensiv, kritisierte der ABDA-Bereichsleiter. Die ABDA setze sich daher vehement dafür ein, die Apotheken aus der Präqualifizierung herauszunehmen oder zumindest das Verfahren für die Offizinen zu erleichtern. Derzeit gebe es für die etwa 97 Krankenkassen einzelne Verträge mit unterschiedlichen Inhalten. Die ABDA setze sich dafür ein, dass ein Vertrag entwickelt werde, der für alle Kassen gelte, informierte Kallbach.
Während der Mitgliederversammlung wurden auch neue Mitglieder in den Vorstand gewählt. Künftig im Vorstand des AVMP engagieren werden sich Antje Urban aus Rostock, Marco Neumann aus Stralsund und Markus Oelze aus Jarmen. Dafür schieden Andrea Nowotny, Birka Zander und Thomas Müller aus dem Vorstand aus. Axel Pudimat dankte ihnen für ihren langjährigen Einsatz für den Verband. Er selbst kündigte an, bei den Wahlen im kommenden Jahr erneut anzutreten.