Rechtlicher Status von CBD-Produkten weiterhin unklar |
CBD-Öle erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Doch ohne Zulassung sind sie rein rechtlich nicht verkehrsfähig. / Foto: Adobe Stock/Tinnakorn
Cannabidiol (CBD)-haltige Produkte erleben derzeit einen Boom in Deutschland: Öle, Kapseln, Gummibärchen, Kaugummi oder Kosmetik – alle möglichen Waren werden mit dem CBD-Zusatz beworben. Es sei ein wuchernder Markt, Zahlen zu Herstellern und Händlern hierzulande kenne wohl niemand, sagt ein Branchenkenner der Nachrichtenagentur dpa.
Nach Beobachtung der Verbraucherzentralen ist das Internet der Hauptumschlagplatz, aber auch immer mehr Läden schießen aus dem Boden, wie Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen erklärt. Und auch manche Apotheken bieten aufgrund der großen Nachfrage CBD-Präparate an. Dabei ist die rechtliche Lage unsicher. »Es gibt keine vernünftige Regulierung«, sagt Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband. Es handele sich um einen »grauen bis schwarzen Markt«.
Behörden und auch Verbraucherzentralen meinen: Nein, ungeprüft kein Verkauf. So heißt es auf der Website des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): »Aus Sicht des BVL muss für CBD-haltige Erzeugnisse vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels gestellt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist die Sicherheit des Erzeugnisses vom Antragsteller zu belegen.« Die EU-Kommission stuft die Einzelsubstanz CBD als neuartiges Lebensmittel ein, da es nicht in nennenswerten Mengen vor dem 15. Mai 1997, dem Stichtag für die Novel-Food-Verordnung, verzehrt worden sei. Demnach wären CBD-Produkte ohne EU-Zulassung nicht verkehrsfähig. Bislang wurden zu CBD erst zwei solche Anträge von tschechischen Herstellern gestellt.
Hersteller berufen sich hingegen etwa auf die lange Tradition der Hanfnutzung. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen beschäftigen derzeit die Gerichte. Gewonnen wird CBD in Europa aus Hanfsorten, die maximal 0,2 Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten dürfen.
Anders als THC hat CBD weder eine berauschende Wirkung noch Suchtpotenzial. Auch soll es das Fahrvermögen nicht beeinträchtigen. Es soll ausgleichend und beruhigend wirken. Beworben wird es für eine Vielzahl meist ungeprüfter Indikationen: gegen Stress, Ängste und Regelschmerzen oder zum schnelleren Einschlafen. Es gebe zwar Hinweise auf eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung, so Verbrauchenzentralen-Expertin Franz. Diese seien aber noch nicht ausreichend durch klinische Studien gesichert. Auch seien Fragen zu Dosierung, Sicherheit, Neben- und Wechselwirkungen ungeklärt. Auf manchen Internetseiten werde mit CBD angereichertes Öl jedoch wie ein Wundermittel angepriesen: »Hilft gegen Diabetes (Typ 2)«. Solche Werbeaussagen für Nahrungsergänzung sind definitiv verboten.
Auch wenn manchmal Artikel wieder aus Regalen verschwinden: Das Angebot ist noch immer breit. Für die Überwachung zuständig sind Lebensmittelkontrolleure in den Kommunen. »Wir schaffen aber sowieso schon kaum die Kontrollen«, heißt es aus einem Berliner Bezirksamt hinter vorgehaltener Hand. Personalmangel und immer neue Internet-Shops, man komme da nicht hinterher. Nicht nur in der Hauptstadt laufe es so, bestätigen Experten.
Zum Schutz vor Ärger nutzen manche Anbieter inzwischen Schlupflöcher: Auf CBD-Blüten, wie sie bei Razzien in Berliner Spätis schon beschlagnahmt wurden, steht »Räucherware«. Gefragt sind sie etwa bei Ex-Kiffern, die den Rausch nicht mehr wollen – als Joint-Ersatz. CBD-Öl wird auch als Aromaöl deklariert, zum Beispiel fürs Kopfkissen. Der Wildwuchs geht noch weiter: Untersuchungen haben gezeigt, dass die angegebene CBD-Dosierung nicht immer den Tatsachen entspricht – teils war weniger enthalten, mal mehr. Auch zu hohe THC-Gehalte wurden laut Verbraucherzentralen schon gefunden.
Der neue Branchenverband Cannabiswirtschaft ist sich des Problems bewusst, dass es für Kunden bisher kaum Durchblick gibt: Geplant sei, ein Qualitätssiegel für CBD-Produkte ins Leben zu rufen und Analysestandards zu schaffen, kündigt Präsident Stefan Meyer an.
Die etwa in Hanfshops erhältlichen CBD-Produkte seien fast immer so niedrig dosiert, dass sie keine Wirkung hätten, meint Dr. Kurosch Yazdi, Leiter der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin des Kepler-Universitätsklinikums Linz und Autor des Buchs »Die Cannabis-Lüge«. Die »angedichteten Wirkungen« seien reine Geschäftemacherei. Um höhere und damit wirksame Dosierungen zu erreichen, müsse man sehr große Mengen zu sich nehmen. »Bei den hohen Dosierungen, die für positive Wirkungen notwendig wären, sind aber potenziell Nebenwirkungen zu erwarten«, so Yazdi. Solche höher dosierten CBD-Produkte wären deshalb ein Fall für Apotheken, sagt er. Zumindest gibt es hier mittlerweile Produkte in pharmazeutischer Qualität.
Der Apotheker und Pharmakoökonom Professor Dr. Gerd Glaeske von der Uni Bremen meint, Käufer CBD-haltiger Mittel wüssten oft nicht, dass hauptsächlich die rezeptpflichtigen Cannabisformen einen medizinischen Nutzen böten. Er sieht das CBD-Angebot auch als »ein Geschäft mit der Psyche und der Hoffnung von Menschen«.
Tatsächlich als Medikament zugelassen ist CBD als 10-prozentige Lösung im Fertigarzneimittel Epidyolex® für die Therapie von zwei schweren und seltenen Epilepsie-Formen bei Kindern. Es gelte manchen Eltern irrtümlicherweise als »sanftes Naturprodukt«, teilte die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung kürzlich mit. In Studien hätten jedoch »etliche Kinder« Nebenwirkungen wie starke Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit und Durchfall gehabt.
Die Tatsache, dass CBD-Konsumenten zum Beispiel von Schmerzlinderung berichten, ist Psychiater Yazdi zufolge »ziemlich sicher mit dem Placebo-Effekt« zu erklären. »Die Menschen sehnen sich eben nach einem Wundermittel, das keine Nebenwirkungen hat.« Letztlich hält er es für harmlos, wenn niedrig dosierte CBD-Produkte eingenommen werden: »Nützt nicht, schadet nicht.« Das größere Problem bleibe das THC.