Rechtliche Hintergründe des Teleclinic-Deals |
Melanie Höhn |
11.09.2024 10:36 Uhr |
Die Kooperation von Techniker Krankenkasse und Teleclinic ist laut Apothekerkammer Nordrhein »äußerst bedenklich und vom deutschen Recht nicht gewollt«. / Foto: Imago/dts Nachrichtenagentur
Die TK wechselt ab Dezember ihren Dienstleister für Telemedizin: Das Unternehmen Teleclinic soll dann das TK-Ärztezentrum für Online-Termine »in enger Abstimmung mit der TK« betreiben, wie die Kasse gegenüber der PZ bestätigte. Öffentlich wurde die neue Zusammenarbeit jedoch nicht kommuniziert.
Im Jahr 2020 hatte der Schweizer Versandkonzern Docmorris AG den Münchener Telemedizin-Anbieter Teleclinic übernommen. Kritiker sehen in dem gleichzeitigen Betrieb von Online-Apotheke und Online-Ärzte-Portal unter einem Firmendach einen Verstoß gegen das sogenannte Edikt von Salerno: der strikten Trennung von Arzt und Apotheke ergo von Arzneimittelverordnung und -abgabe.
Im Mai 2024 urteilte das Landgericht München (LG), dass der Anbieter Teleclinic nicht ungefragt Patienten von der Doc Morris-Seite zugeleitet bekommen darf. Gegen diese Form der Zuweisung und auch andere Punkte hatte die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) geklagt. Rechtskräftig ist das Urteil nicht. Morton Douglas, der die AKNR in Prozessen vertritt, hat Bedenken, dass Teleclinic Rezepte aus Beratungen der TK-Versicherten direkt an Doc Morris weiterleiten könnte.
Laut Douglas ist diese Form der Kooperation von TK und Teleclinic »äußerst bedenklich und vom deutschen Recht nicht gewollt«. Aus gutem Grund gebe es in Deutschland den Grundsatz der strikten Trennung zwischen Arzt und Apotheke. »Dies gewährleistet die jeweilige Unabhängigkeit stellt die Grundlage für Vertrauen der Patienten dar, das für eine qualitativ hochwertige Beratung und Versorgung dringend erforderlich ist«, so Douglas.
Diese Trennung siehe etwa vor, das medizinische Versorgungszentren nur von Ärzten, nicht aber Apotheken betrieben werden dürfen (§ 95 Abs. 1a SGB V). Der Betrieb eines Versorgungszentrums durch eine Apotheke sei damit verboten. »Warum es dann möglich sein soll, dass eine Plattform für Ärzte durch eine Gesellschaft betrieben wird, die zugleich eine Apotheke betreibt, erschließt sich uns nicht«, sagte der Rechtsanwalt. Die gleichen Risiken, die den Gesetzgeber zur Regelung des § 95 Abs. 1a SGB V veranlasst hätten, bestünden bei dem Konstrukt Teleclinic/Doc Morris auch. »Dies gilt umso mehr, als es sich nicht um theoretische Risiken handelt, sondern in den durch uns geführten Verfahren auch positiv nachgewiesen werden konnte dass hier unerlaubte Zuweisungen erfolgen«, so Douglas weiter. »Warum eine der größten deutschen gesetzlichen Krankenkassen glaubt, mit einem solchen Konstrukt eine vertragliche Beziehung einzugehen, erschließt sich uns nicht.«
Die AKNR habe »erhebliche Bedenken« wettbewerbsrechtlicher Art: Die TK sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und unterliege als solcher dem Neutralitätsgebot. »Die Rechtsprechung hat wiederholt entschieden, dass gesetzlichen Krankenkassen untersagt ist, bestimmte Leistungserbringer zu empfehlen oder anderweitig zu bevorzugen. Gegen dieses Neutralitätsgebot wird unserer Auffassung nach verstoßen. Allerdings muss dies durch die Ärzteschaft geahndet werden; die Apothekerkammern sind hierfür nicht zuständig«, so Douglas.