Pyrogentest bald nur noch ohne Kaninchen |
Annette Rößler |
08.03.2023 07:00 Uhr |
6000 bis 7000 Kaninchen werden laut dem Paul-Ehrlich-Institut jedes Jahr in Deutschland für den Pyrogentest verwendet. / Foto: Getty Images/unoL
Pyrogene, wörtlich übersetzt Feuer erzeugende Substanzen, sind Stoffe, die bei parenteraler Gabe Fieber erregen. Die wichtigsten Pyrogene sind Endotoxine, die von gramnegativen Bakterien freigesetzt werden. Daneben bilden aber auch einige Viren Pyrogene und auch andere Verunreinigungen können pyrogen wirken. In Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung haben Pyrogene selbstverständlich nichts verloren. Deshalb müssen alle Parenteralia nachweislich frei von ihnen sein.
Der Test, mit dem Parenteralia seit den 1940er-Jahren auf Pyrogene geprüft werden, mutet archaisch an: Jeweils drei Kaninchen bekommen die Zubereitung injiziert. Steigt die Körpertemperatur der Tiere innerhalb von drei Stunden nach der Injektion in Summe um weniger als 1,15 K an, gilt der Kaninchentest (Rabbit Pyrogen Test, RPT) als bestanden. Ein Vorteil des RPT – aus menschlicher Sicht – ist, dass er alle bekannten und auch unbekannte Pyrogene erfasst, wobei einschränkend gesagt werden muss, dass Kaninchen nicht auf alle Stoffe, die beim Menschen Fieber erregen, gleich stark reagieren wie er. Der größte Nachteil des RPT liegt auf der Hand: Es ist ein Tierversuch und daher moralisch nur zu rechtfertigen, wenn es keine gleichwertige Alternative gibt.
Die gibt es aber. So wurde bereits in den 1960er-Jahren der Limulus-Amöbozyten-Lysat- (LAL-) Test oder auch Bakterien-Endotoxin-Test (BET) entwickelt. Er nutzt bestimmte Blutzellen (Amöbozyten) von Pfeilschwanzkrebsen (Limulus polyphemus) zum Nachweis von Bakterien-Endotoxinen. Dieser Nachweis gelingt damit sogar zuverlässiger als mit dem RPT.
Auch der LAL-Test hat allerdings Nachteile, nämlich erstens dass für die Gewinnung der Amöbozyten den Krebsen, die zu den bedrohten Arten zählen, Blut entnommen werden muss. Mittlerweile kann die entscheidende Komponente (Faktor C) aber auch rekombinant hergestellt werden und der BET steht als »Test for bacterial endotoxins using recombinant factor C« seit 2021 als Prüfmethode im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.).
Ein weiterer Nachteil des BET ist, dass er Pyrogene, die keine Endotoxine sind, nicht erfasst. Dies tut aber der Monozyten-Aktivierungstest (MAT), der 2010 ins Ph. Eur. aufgenommen wurde. Der MAT findet in vitro statt: Menschliches Vollblut wird mit der Prüflösung inkubiert; am Folgetag wird mittels ELISA getestet, ob aus den Monozyten Zytokine freigesetzt wurden.
Mit der Verfügbarkeit dieser validierten Alternativen zum RPT soll der Kaninchentest perspektivisch ganz aus dem Ph. Eur. gestrichen werden. Im Juni 2021 beschloss die Europäische Arzneibuchkommission, dass das innerhalb von etwa fünf Jahren geschehen soll, also bis 2026. Allerdings ist die Umstellung vom RPT auf den BET und/oder MAT für die Hersteller mit einem erheblichen Aufwand verbunden, denn sie müssen zunächst nachweisen, dass das neue Prüfverfahren für ihr Präparat geeignet ist. Die entsprechenden Validierungen und Genehmigungen können laut dem Paul-Ehrlich-Institut Monate bis Jahre dauern.
Doch die Arzneibuchkommission drückt aufs Tempo. Im September 2022 legte sie ein Strategiepapier vor, das den Fahrplan bis zu einer möglichen Streichung des RPT aus dem Ph. Eur. im Juli 2026 vorgibt. Schritt 1 dieses Fahrplans, die Erarbeitung eines neuen Kapitels zum Thema »Pyrogenität«, wurde bereits umgesetzt. Dieses neue Kapitel sowie Anpassungen in 58 weiteren Texten des Ph. Eur., die sich auf den Nachweis von Pyrogenen beziehen, können noch bis zum 31. März 2023 öffentlich kommentiert werden.
Das neue Kapitel 5.1.13 soll unter anderem Herstellern von Parenteralia bei der Entscheidung helfen, ob der BET oder der MAT als Alternative zum RPT für ihr Produkt geeignet ist. Derzeit wird der Kaninchentest noch in 60 Texten im Ph. Eur. erwähnt, darunter allgemeine Kapitel etwa zu sterilen Behältern und Transfusionssets für Blutprodukte, aber auch Monographien von Impfstoffen, Antibiotika, Blutprodukten und Radiopharmazeutika. Sie alle werden nun wohl bald geändert werden müssen.