Psychopharmaka – wann intervenieren, wann nicht? |
| Laura Rudolph |
| 02.04.2025 14:00 Uhr |
Nicht in jedem Fall sollten Apotheker versuchen, bei einer Medikationsanalyse in eine Psychopharmaka-Medikation einzugreifen. Apothekerin Sabine Haul teilte im Webinar eine Entscheidungshilfe. / © Getty Images/MementoJpeg
In der vergangenen Folge der Webinarreihe stellte Apothekerin Sabine Haul von der Elefanten-Apotheke aus Hamburg ein Fallbeispiel vor. Es ging um eine 81-jährige Demenzpatientin. Sie litt unter Schwindel, innerer Unruhe und Schlafstörungen. Ihre Symptome hielten auch ihren Ehemann nachts wach, der schließlich die Apothekerin bat, die Medikation seiner Frau zu überprüfen.
Zudem hatte die Patientin häufigen Harndrang und war vor kurzem wegen eines neu aufgetretenen generalisierten Epilepsieanfalls im Krankenhaus behandelt worden. Gewicht, Blutdruck und Herzfrequenz der Patientin waren im Normalbereich.
| Arzneistoff | Dosierung | Einheit | ||
|---|---|---|---|---|
| Oxybutynin, transdermales Pflaster, 3,9 mg/24 Stunden | 1-0-0-0 | Stück | ||
| Sertralin 50 mg | 1-0-0-0 | Stück | ||
| Cinnarizin plus Dimenhydrinat 20 mg / 40 mg | 1-0-0-0 | Stück | ||
| Promethazin-Lösung, 100 mg/mL | 0-0-0-4 | Tropfen | ||
| Melperon-Lösung, 25 mg/5 mL | 5-0-5-0 | mL | ||
| Levetiracetam-Lösung 100 mg/mL | 5-0-5-0 | mL |
Den Webinarteilnehmern fiel auf, dass die Patientin fünf Arzneimittel mit teils stark ausgeprägter anticholinerger Wirkung einnimmt: Sertralin, Promethazin, Oxybutynin, Cinnarizin und Dimenhydrinat. Sie schlugen vor, zu prüfen, welche man absetzen könnte. Zudem könnten Cinnarizin und Dimenhydrinat über eine Senkung der Krampfschwelle den epileptischen Anfall begünstigt haben. Außerdem fehlte ein Medikament gegen die diagnostizierte Alzheimer-Demenz. Die Teilnehmer empfahlen auch, das Blutbild (vor allem die Elektrolyte) zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Patientin genug trinkt.
Die Nutzung einer Medikationsanalyse-Software ergab, dass Schwindel eine typische serotonerge und sehr häufige Nebenwirkung von Sertralin ist, und Schlafstörungen können eine Nebenwirkung von Sertralin und Promethazin sein. Nach der Priscus-Liste gehören Oxybutynin, Cinnarizin, Promethazin und Melperon zur potenziell inadäquaten Medikation im Alter.
»Die Arzneistoffe wurden von vielen verschiedenen Ärzten verordnet«, sagte Haul. »Ich habe daraufhin mit allen Verordnern gesprochen.« Dabei kam heraus: Die aktuelle Hausärztin hatte die Sertralin- und Promethazin-Medikation, die erstmals von ihrem Vorgänger verordnet wurde, beibehalten und zusätzlich Cinnarizin/Dimenhydrinat gegen den Schwindel verordnet. Das Melperon hatte die ambulant tätige Neurologin wegen Schlafstörungen verordnet und das Oxybutynin-Pflaster die ambulante Urologin wegen des häufigen Harndrangs. Im Krankenhaus kam dann das Levetiracetam hinzu.
Nach dem Gespräch mit der Apothekerin setzte die Hausärztin Promethazin und Cinnarizin/Dimenhydrinat ab. Der ambulanten Urologin sei die anticholinerge Last nicht bewusst gewesen. Sie tauschte zuerst Oxybutynin gegen Trospium aus, stellte dann aber fest, dass die Inkontinenz-Arzneimittel generell nicht besonders gut bei der Patientin wirkten, aber viele Nebenwirkungen hervorriefen. Daraufhin wurden sie abgesetzt.
Die ambulante Neurologin setzte Sertralin ab und verordnete stattdessen Mirtazapin, das geringere anticholinerge Effekte hat. »Der Schlaf verbesserte sich dadurch so sehr, dass Melperon als Bedarfsmedikation abgesetzt werden konnte«, berichtete Haul. »Die Intervention hat erhebliche Verbesserungen für das Ehepaar gebracht«, ergänzte die Apothekerin. Ein Antidementivum bekam die Patientin aufgrund schlechter Verträglichkeit allerdings nicht.
In einem Impulsvortrag betonte Haul, dass man nicht in jedem Fall in die Medikation eines Patienten »eingreifen« sollte, der Psychopharmaka einnimmt. Sie teilte eine Entscheidungshilfe mit den Teilnehmern.
Eher nicht intervenieren sollte man, wenn
Eher intervenieren sollte man, wenn
Wichtig sei in jedem Fall, nicht über den Kopf des Patienten hinweg mit dem Arzt zu sprechen, sondern sich vorher von der Schweigepflicht entbinden zu lassen – am besten schriftlich.