Psilocybin wirksam bei Major Depression |
Annette Rößler |
23.11.2020 09:00 Uhr |
Ein Ausbruch aus der negativen Gedankenspirale gelingt Patienten mit Depression möglicherweise mit einer psychedelischen Erfahrung, ausgelöst durch den Pilz-Wirkstoff Psilocybin. / Foto: Getty Images/Bernd Friedel/EyeEm
Psychedelika wie Psilocybin werden derzeit von mehreren Arbeitsgruppen auf ihre Wirkung gegen Depressionen getestet. Die Anwendung der Substanzen erfolgt dabei in einem kontrollierten Setting unter Anwesenheit eines Psychiaters, der die gemachten Erfahrungen mit dem Patienten therapeutisch vor- und nachbereitet. So eingebettet, kann die durch Psychedelika herbeigeführte Bewusstseinserweiterung offenbar das für Depressionen typische negative Gedankenkreisen durchbrechen. Der kontrollierte Trip löst dabei möglicherweise eine anhaltende Besserung aus, wie etwa in einer kleinen Studie mit Patienten gezeigt werden konnte, die infolge einer Krebserkrankung depressive Symptome entwickelt hatten.
Einen starken Hinweis auf eine Wirksamkeit von Psilocybin auch bei Major Depression liefert jetzt eine Arbeitsgruppe vom Center for Psychedelic & Consciousness Research der Johns Hopkins Universität in Baltimore. Die Forscher um Dr. Alan Davis berichten im Fachjournal »JAMA Psychiatry« von einer Untersuchung mit 24 Patienten mit Major Depression, die sie in einem kontrollierten Setting in ihrem Zentrum zweimal mit Psilocybin behandelten. Der Pilz-Wirkstoff wurde den Probanden dabei in einer Dosis von zunächst 20 und dann 30 mg pro 70 kg Körpergewicht in Gelatinekapseln verabreicht. Die Psychedelika-Therapie war eingebettet in eine begleitende Psychotherapie. Um keinem Teilnehmer Psilocybin vorzuenthalten, aber dennoch eine Vergleichsgruppe zu haben, wurde der Zeitpunkt der Gabe variiert: 13 Probanden wurden sofort behandelt, elf erst nach acht Wochen.
Die depressive Symptomatik wurde anhand der GRID-Hamilton-Skala quantifiziert, auf der ein Wert ab 24 eine schwere Depression anzeigt, Werte zwischen 17 und 23 eine mittelschwere, Werte zwischen 8 und 16 eine leichte und Werte von 7 oder darunter keine Depression. Beim Einschluss in die Studie lag der Durchschnittswert der Probanden bei 22,8. Nach der Intervention sank er in der Frühbehandlungs-Gruppe auf 8,0 in Woche 1 beziehungsweise 8,5 in Woche 4. In der Wartelisten-Gruppe zeigte sich dagegen keine Veränderung in diesem Zeitraum.
Nachdem auch diese Patienten die Psilocybin-Sessions hinter sich gebracht hatten, sank der Score aber auch bei ihnen, sodass insgesamt bei 16 Teilnehmern (67 Prozent) in der ersten Woche nach der Therapie und bei 17 Teilnehmern (71 Prozent) in der vierten Woche nach der Therapie ein klinisch signifikantes Ansprechen zu verzeichnen war. Letzteres war definiert als ein mindestens 50-prozentiger Rückgang des Ausgangs-GRID-Hamilton-Wertes. In Woche 1 waren 14 Patienten (58 Prozent) und in Woche 4 immer noch 13 Patienten (54 Prozent) in Remission, hatten also GRID-Hamilton-Werte von 7 oder niedriger.
Neben der großen Effektstärke, die Davis in einer Pressemitteilung der Universität als viermal größer als die von traditionellen Antidepressiva beziffert, ist besonders der schnelle Wirkeintritt bemerkenswert. Bereits am Tag nach der ersten Psilocybin-Session zeigte der von den Patienten ausgefüllte Quick Inventory of Depressive Symptomatology – Self-Report (QIDS-SR) eine deutliche Besserung der Symptome an.
»Da die meisten anderen Behandlungen bei Depression Wochen oder Monate brauchen, bis sie wirken, und viele unerwünschte Effekte haben, könnte dies ein Game Changer sein«, so Davis. Eine Voraussetzung sei jedoch, dass die Ergebnisse in placebokontrollierten Studien bestätigt werden könnten. An diesen werden sich die Forscher in Baltimore sicherlich auch beteiligen. Zunächst wollen sie die Patienten dieser kleinen Studie noch weiter beobachten, um zu erfahren, wie lange der Effekt anhält.