Problemfall Versandapotheke |
| Alexander Müller |
| 06.11.2025 12:50 Uhr |
Verbraucherschützerin Gesa Schölgens kritisiert, wie Verbraucher im Internet bei Gesundheitsthemen beeinflusst werden. / © Alois Mueller
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2.600 Beschwerden und Anfragen von Verbrauchern zu Gesundheitswerbung im Internet sind seit August 2023 beim Projekt der Verbraucherzentralen eingegangen, berichtete Schölgens. »Wir prüfen diese Beschwerde und gehen dem auch nach.«
Ein Nutzer wunderte sich, warum er das Produkt Tren-bol 100 als »Nahrungsergänzungsmittel« beim Versender Shop-Apotheke finden konnte. Auch CBD-Produkte und eine Narbencreme wurden gemeldet. »Manchmal fragwürdig, manchmal rechtlich unzulässig«, nannte Schölgens die Angebote von Shop Apotheke, die übrigens man teilweise auch bei anderen Versendern finden könne.
Die Verbraucherschützerin sprach vom »Problemfall Versandapotheke«. Viele zuständige Stellen hätten keine oder zu wenig Kapazitäten für die Kontrolle und selbst bei festgestellten Verstößen sei eine Rechtsdurchsetzung oft nicht möglich. Und die von Apotheken wenig geliebte Werbung des größten Versenders mit TV-Promi Günther Jauch sei mit den Mitteln des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) schwer angreifbar.
Dazu kommt, dass die Online-Suche nach Gesundheitsinformationen ein neues Level erreicht hat: Neben »Dr. Google« und Social Media ist die KI als neuer »Ratgeber« eingestiegen – und die passende Werbung wird gleich in den Feed gespielt. Das Problem: Etwa ein Drittel halte das Internet für eine vertrauenswürdige Quelle für Gesundheitsinformationen, so Schölgens. Die Gesundheitskompetenz sei nicht sehr hoch ausgeprägt.
2025 habe die Verbraucherschutzorganisation »Foodwatch« Instagram-Stories von 95 Fitness- und Gesundheits-Influencern ausgewertet. Rund ein Drittel der Stories, in denen Supplements beworben werden, enthielten demnach gesundheitsbezogene Aussagen – und in sämtlichen Fällen habe Foodwatch mindestens eines dieser Werbeversprechen als unzulässig eingestuft.
Dem will die Verbraucherzentrale mit dem »Faktencheck Gesundheitswerbung« entgegenwirken. Via Instagram und Tiktok sollen die Nutzer aufgeklärt werden und notfalls werde gegen fragwürdige Aussagen auch gerichtlich vorgegangen. Ihr Traum wäre ein »Internet ohne Bullshit-Gesundheitsinformationen«.
Besonders häufig von Falschinformationen betroffen sind laut Schölgens: Diät- und Ernährungsmythen, Selbstdiagnose und -behandlung, Schönheitsbehandlungen und Hautpflege-Tipps sowie der Bereich psychische Gesundheit.
Beim Marktcheck »Selbstmedikation im Netz« im Jahr 2022 wurde das Online-Kaufverhalten von OTC-Arzneimitteln während der Corona-Pandemie untersucht. Grundlage war eine repräsentative Befragung von knapp 1800 Verbraucherinnen und Verbrauchern. Gerade während der Pandemie wurde viel online bestellt, ohne dass vorher fachlicher Rat eingeholt wurde. Und 73 Prozent der Befragten ließen sich von der Meinung anderer Nutzer beeinflussen.
Schlögens ging auch auf den neuen Trend der Abnehmspritzen ein, Thema des zweiten »Marktchecks«, der noch nicht veröffentlicht ist. Die Menschen kämen im Netz viel zu leicht an die Medikamente und müssten teilweise nur einen Fragebogen ausfüllen. Es sei sehr leicht, an die Produkte zu kommen, man könne beim Gewicht trixen und selbst bei Angabe von Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Schilddrüsenerkrankung sei Wegovy verkauft worden – für Preise zwischen 200 bis 500 Euro, berichtete Schölgens.
Als »Partnerapotheken« träten oft Versender aus den Niederlanden auf. Problemfall Versandhandel eben. Das online ausgestellte Rezept in einer Apotheke vor Ort einzulösen, habe in allen drei Fällen im Test der Verbraucherzentrale nicht geklappt. Das sei ein gutes Zeichen. Eine engere Zusammenarbeit mit den Apotheken würde sie sehr begrüßen, gerade mit Blick auf die zweifelhafte Rolle der Versender.