Probleme auf Rezept |
Daniela Hüttemann |
03.10.2024 09:00 Uhr |
Könnten die Patienten daran etwas ändern und schon vor dem Aufsuchen der Apotheke auf Formalia achten? »Nein, die Zusammenhänge kann der Patient als Laie überhaupt nicht nachvollziehen. Erst recht dann nicht, wenn das E-Rezept flächendeckend umgesetzt ist und nur noch elektronisch verordnet wird«, so Dirkmann.
»Wenn der vertragliche Handlungsspielraum von Apotheken ausgeschöpft und die Kostenübernahme von Kassenrezepten nicht gesichert ist, hat der Patient im schlimmsten Fall nur die folgenden Optionen: das Arzneimittel selbst zu bezahlen oder den Hausarzt um ein neues Rezept zu bitten. Beides birgt das Risiko, dass Patienten gänzlich auf ihre Arzneimittel verzichten, sodass Verzögerungen oder sogar Lücken in der Arzneimittelversorgung entstehen.«
Bislang laufen die Verhandlungen zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Vertragsanpassungen, die die Belieferung von Entlassrezepten erleichtern sollen, sehr zäh. Bisherige Anpassungen waren marginal oder zeitlich befristet. »Die Ergebnisse unserer Erhebung deuten darauf hin, dass die Eckpunkte in der apothekerlichen Praxis nur schwer oder auch gar nicht umsetzbar sind«, berichtet Dirkmann.
»Selbst wenn Verordner und Leistungserbringer in ihrem jeweiligen Rahmen alles richtigmachen, kommen aktuell Fallkonstellationen zum Tragen, in denen Patienten auf Grundlage des SGB V, der G-BA-Richtlinie und des Rahmenvertrages nicht versorgt werden können.«
Im Sinne einer schnellen Patientenversorgung müssten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Dirkmann schlägt vor, den öffentlichen Gesundheitsdienst als eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige Institution als Vermittler einzusetzen, um den Entscheidungsträgern relevante Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen – ganz im Sinne des Verbraucherschutzes. »Projektergebnisse wie diese können Stellschrauben sichtbar werden lassen«, ist die Apothekerin überzeugt.
Dirkmann erinnert daran, dass auch Fehlversorgung und vermeidbare Therapieverzögerungen Medikationsfehler sind, die für die Patienten ein nicht unerhebliches Risiko darstellen können. Und mit der reinen Belieferung im Sinne der Arzneimittelaushändigung ist es laut Dirkmann nicht getan. »Für einen reibungslosen Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung ist insbesondere mit Blick auf medikamentöse Umstellungen das gesamte Setting zu betrachten: das Prüfen des Medikationsplans, der Abgleich eines Entlassbriefs, die Durchführung einer Polymedikationsanalyse, die Beantwortung ungeklärter Fragen etc.«
Es brauche grundsätzlich und langfristig eine bessere Kommunikation und mehr Interdisziplinarität zwischen Apothekern, Ärzten und sonstigen Gesundheitsprofessionen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern.
Wie es gehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Stadt Hamm. »Hier hat die zuständige Amtsapothekerin, Carola Hiltawsky, einen Arbeitskreis gegründet, der Krankenhäuser, deren versorgende Krankenhausapotheken sowie Hausärzte gemeinsam mit den Apotheken vor Ort ins Boot holt, um die Stolpersteine im Entlassmanagement berufsübergreifend zu besprechen«, berichtet Dirkmann.
In Hamm werde derzeit auch untersucht, inwieweit Ressourcen bei Ärzten, Apotheken und Pflegeheimen durch fehlerhafte oder unvollständige Entlassrezepte gebunden werden. Es gehe dabei nicht um Retaxationen oder Schuldzuweisungen, sondern um eine gute Fehlerkultur.