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Entlassmanagement

Probleme auf Rezept

Das Landeszentrum Gesundheit NRW hat anhand von 14.000 Entlassrezepten ausgewertet, wie oft und welche Probleme an der Schnittstelle zwischen Krankenhaus und Apotheke bestehen. Tatsächlich konnte ein Drittel der Rezepte nicht direkt beliefert werden. Apothekerin Simone Dirkmann erläutert, woran es liegt und was sich ändern muss.
Daniela Hüttemann
03.10.2024  09:00 Uhr

Mit Entlassrezepten soll die kurzfristige Versorgung von Patientinnen und Patienten zwischen Krankenhausentlassung und nächstem Arztbesuch überbrückt werden. Dafür können Krankenhausärztinnen und -ärzte seit Ende 2017 den Versicherten ein Rezept für die kleinstmögliche Packungsgröße ausstellen. Am häufigsten passiert dies übrigens freitags und für Schmerzmittel.

Apothekerinnen und Apotheker berichten jedoch immer wieder von Problemen bei der Belieferung. Das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen hat nun gemeinsam mit den Amtsapothekerinnen und -apothekern der örtlichen Gesundheitsämter ein Jahr lang untersucht, warum die Einlösung oftmals nur verzögert möglich ist und was dafür die häufigsten Gründe sind.

Im ersten Schritt berichteten 685 Apotheken aus 31 Kommunen in NRW per Fragebogen retrospektiv über Probleme im vergangenen halben Jahr. Im zweiten Schritt prüften und dokumentierten dann 345 Apotheken über sechs Monate jedes vorgelegte Entlassrezept – 14.228 Verordnungen insgesamt. »Mit 28 Kreisen und kreisfreien Städten haben sich mehr als die Hälfte der Kommunen und fast jede zehnte Apotheke in NRW an dem sozialpharmazeutischen Projekt beteiligt«, ordnet Studienleiterin Simone Dirkmann von der Fachgruppe Sozialpharmazie des Landeszentrums Gesundheit NRW ein.

Formfehler und mangelnde Marktkenntnis

»Etwa ein Drittel der Entlassverordnungen konnten nicht direkt und problemlos beliefert werden, weil zum Beispiel Unklarheiten bürokratischer Natur mit den Krankenhausärzten geklärt werden mussten«, erläutert die Apothekerin. »Jeder dritte Patient konnte folglich erst am nächsten Tag oder gar noch später mit seinen benötigten Arzneimitteln versorgt werden.«

Am häufigsten traten Probleme mit reinen Formalitäten wie falscher Betriebsstättennummer oder fehlenden Arztangaben auf. Obwohl für die Therapie vollkommen unerheblich, ist dafür meist eine Rücksprache notwendig, die die Belieferung unnötig verzögert.

»Dicht gefolgt von Formfehlern sind nach Apothekenangaben Verordnungen nicht existenter oder nicht verfügbarer Packungsgrößen«, berichtet Dirkmann weiter. Denn bei der Klinikentlassung darf grundsätzlich nur eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnet werden. »Das setzt allerdings das Wissen des Verordners zu Marktlage und Packungsgrößeneinteilung voraus«, so Dirkmann auch im Hinblick auf die anhaltenden Lieferengpässe. »Gibt es nur die Option, eine größere Packung zu beliefern, bedarf dies wiederum einer ärztlichen Rezeptänderung, falls die zuständige Krankenkasse die Mehrabgabe überhaupt duldet.« Nicht bei allen Kostenträgern sei es im Entlassmanagement möglich, vertragskonform auf größere Packungen auszuweichen.

Worauf kann der Patient achten?

Könnten die Patienten daran etwas ändern und schon vor dem Aufsuchen der Apotheke auf Formalia achten? »Nein, die Zusammenhänge kann der Patient als Laie überhaupt nicht nachvollziehen. Erst recht dann nicht, wenn das E-Rezept flächendeckend umgesetzt ist und nur noch elektronisch verordnet wird«, so Dirkmann.

»Wenn der vertragliche Handlungsspielraum von Apotheken ausgeschöpft und die Kostenübernahme von Kassenrezepten nicht gesichert ist, hat der Patient im schlimmsten Fall nur die folgenden Optionen: das Arzneimittel selbst zu bezahlen oder den Hausarzt um ein neues Rezept zu bitten. Beides birgt das Risiko, dass Patienten gänzlich auf ihre Arzneimittel verzichten, sodass Verzögerungen oder sogar Lücken in der Arzneimittelversorgung entstehen.«

Die Regelungen sind zu kleinteilig

Bislang laufen die Verhandlungen zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Vertragsanpassungen, die die Belieferung von Entlassrezepten erleichtern sollen, sehr zäh. Bisherige Anpassungen waren marginal oder zeitlich befristet. »Die Ergebnisse unserer Erhebung deuten darauf hin, dass die Eckpunkte in der apothekerlichen Praxis nur schwer oder auch gar nicht umsetzbar sind«, berichtet Dirkmann.

»Selbst wenn Verordner und Leistungserbringer in ihrem jeweiligen Rahmen alles richtigmachen, kommen aktuell Fallkonstellationen zum Tragen, in denen Patienten auf Grundlage des SGB V, der G-BA-Richtlinie und des Rahmenvertrages nicht versorgt werden können.«

Im Sinne einer schnellen Patientenversorgung müssten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Dirkmann schlägt vor, den öffentlichen Gesundheitsdienst als eine von wirtschaftlichen Interessen unabhängige Institution als Vermittler einzusetzen, um den Entscheidungsträgern relevante Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen – ganz im Sinne des Verbraucherschutzes. »Projektergebnisse wie diese können Stellschrauben sichtbar werden lassen«, ist die Apothekerin überzeugt.

Therapieverzögerung als Medikationsfehler

Dirkmann erinnert daran, dass auch Fehlversorgung und vermeidbare Therapieverzögerungen Medikationsfehler sind, die für die Patienten ein nicht unerhebliches Risiko darstellen können. Und mit der reinen Belieferung im Sinne der Arzneimittelaushändigung ist es laut Dirkmann nicht getan. »Für einen reibungslosen Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung ist insbesondere mit Blick auf medikamentöse Umstellungen das gesamte Setting zu betrachten: das Prüfen des Medikationsplans, der Abgleich eines Entlassbriefs, die Durchführung einer Polymedikationsanalyse, die Beantwortung ungeklärter Fragen etc.«

Es brauche grundsätzlich und langfristig eine bessere Kommunikation und mehr Interdisziplinarität zwischen Apothekern, Ärzten und sonstigen Gesundheitsprofessionen, um die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern.

Wie es gehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Stadt Hamm. »Hier hat die zuständige Amtsapothekerin, Carola Hiltawsky, einen Arbeitskreis gegründet, der Krankenhäuser, deren versorgende Krankenhausapotheken sowie Hausärzte gemeinsam mit den Apotheken vor Ort ins Boot holt, um die Stolpersteine im Entlassmanagement berufsübergreifend zu besprechen«, berichtet Dirkmann.

In Hamm werde derzeit auch untersucht, inwieweit Ressourcen bei Ärzten, Apotheken und Pflegeheimen durch fehlerhafte oder unvollständige Entlassrezepte gebunden werden. Es gehe dabei nicht um Retaxationen oder Schuldzuweisungen, sondern um eine gute Fehlerkultur.

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