Probiotika können helfen |
Sven Siebenand |
05.07.2022 16:30 Uhr |
Viele Menschen sind vom Reizdarmsyndrom betroffen. Die Untersuchung des individuellen Mikrobioms ist aber ohne klinische Bedeutung und wird nach einer aktuellen Reizdarmleitlinie auch nicht empfohlen. / Foto: Adobe Stock/khwanchai
Bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten informierte Professor Dr. Thomas Frieling vom Helios Klinikum in Krefeld über die Rolle des Mikrobioms im menschlichen Darm. Bevor er auf die Bedeutung der Darmflora beim Reizdarmsyndrom zu sprechen kam, räumte der Mediziner mit grundsätzlich falschen Fakten zum Mikrobiom auf: Die Masse des Mikrobioms liegt demnach nicht wie häufig behauptet wird bei 1,5 bis 2 kg und die Menge der Bakterien im menschlichen Körper übersteigt nicht die Zahl der menschlichen Körperzellen um das Zehnfache. Vielmehr wisse man mittlerweile, dass die Bakterienmasse des menschlichen Körpers »nur« bei insgesamt etwa 200 g liegt und das Verhältnis von Bakterienzahl zu Körperzellzahl etwa gleichwertig ist.
Richtig ist laut Frieling, dass das Mikrobiom auch beim Reizdarmsyndrom eine wichtige Rolle hat. Bei Betroffenen sei die Vielfältigkeit der Bakterien reduziert. Bislang sei es aber noch nicht gelungen, bestimmte Bakterien zu identifizieren, die für Beschwerden des Reizdarmsyndroms verantwortlich sind oder davor schützen, also in der Breite eliminiert oder ersetzt werden müssten. Laut dem Mediziner ist der Einsatz von Probiotika durchaus gerechtfertigt, allerdings könne man dafür kein spezielles Präparat favorisieren. Vielmehr müsse man in der Praxis verschiedene Mittel ausprobieren, um zu sehen, welches im individuellen Fall hilft. Frieling erwartet für die kommenden Jahre aber viele weitere neue Forschungserkenntnisse, sodass man eines Tages dann unter Umständen genauere Empfehlungen geben kann.
Bislang sei es aus Sicht des Experten jedenfalls nicht sinnvoll, die Bakterien im Stuhl untersuchen zu lassen. »Das Geld kann man sich sparen«, sagte Frieling. Er verwies unter anderem darauf, dass die Ergebnisse der Stuhluntersuchungen durch das Weiterwachsen der Bakterien im Stuhl während des Transports in das Labor nicht repräsentativ für die lokale Situation im Darm seien. Zudem würde die Rolle der Schleimhaut-assoziierten Bakterien somit zu wenig berücksichtigt.
Eine besondere Form der Reizdarm-Diät favorisiert Frieling nicht. Eine ausgewogene Ernährung sei die beste diätetische Maßnahme für Betroffene. Übergewicht sollte vermindern werden und auf ausreichend Bewegung geachtet werden. Bei Verdacht darauf, dass die Reizdarmbeschwerden mit spezifischen Lebensmitteln zusammenhängen, kann dem Experten zufolge aber eine Ernährungsberatung durchaus sinnvoll sein.