Pro Generika: »Hauptsache billig« muss ein Ende haben |
Cornelia Dölger |
30.11.2022 15:30 Uhr |
Eine Reform des Festbetrags- und Rabattvertragssystems sei »dringend geboten«, sagte Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer. / Foto: PRO GENERIKA
Die Situation bei Lieferengpässen von wichtigen Medikamenten spitzt sich zu, was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu veranlasst hat, das lange in Stein gemeißelte Rabattvertragssystem bei Arzneimitteln zu überdenken. Dabei soll es vor allem um Anpassungen bei den Vergabekriterien für Rabattverträge gehen. Auch die Exklusivität von Rabattverträgen steht demnach zur Disposition, wie Lauterbach gestern in Berlin verlauten ließ.
Noch vor Weihnachten soll ein erster Gesetzentwurf für eine Reform der Arzneimittel-Rabattverträge stehen. Akute Lieferengpässe wie etwa derzeit bei Fiebersäften für Kinder könne man nicht dulden. Die angespannte Lage sei auch dem Rabattvertragssystem geschuldet, das den billigsten Anbieter selbst dann bezuschlage, wenn damit Lieferengpässe drohten. »Wir haben es bei Generika mit der Ökonomie zu weit getrieben«, so Lauterbach.
In diese Kerbe schlug heute der Branchenverband Pro Generika. Geschäftsführer Bork Bretthauer betonte auf PZ-Anfrage, dass jetzt »beherzte Strukturreformen erfolgen und nicht bloß kosmetische Korrekturen« vorgenommen werden müssten. Er begrüße, dass die Bundesregierung nun gesetzgeberisch in die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln eingreifen wolle, denn eine Reform des Festbetrags- und Rabattvertragssystems sei »dringend geboten«. Ob diese Reform die Lage substanziell verbessern werden, könne man aber erst sagen, wenn die Eckpunkte des Gesetzes veröffentlicht werden.
Mit einer Fortführung der bisherigen Sparvorgaben ließe es sich auf jeden Fall nicht realisieren, so Bretthauer weiter. Hier müssten die Weichen anders gestellt werden: »Nur wenn die Politik die dort angelegten Kostensparinstrumente lockert, wird sich die Versorgungslage entspannen.« Erstes Ziel der Reform müsse sein, dass wieder mehr Hersteller in die Generika-Produktion einsteigen könnten. »An die Stelle des Hauptsache-Billig-Prinzips muss das Dogma der sicheren Versorgung rücken.« Bretthauer betonte: »Dafür braucht es Anreize, dass Generikaunternehmen die Produktion diversifizieren und in resilientere und nachhaltigere Lieferketten investieren können.«
Dass das Bundesgesundheitsministerium gegen das althergebrachte Problem der Lieferengpässe bei Arzneimitteln vorgehen und dafür Reformen auf den Weg bringen will, begrüßte auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Obwohl die Thematik bereits vor Jahren als drängendes Problem erkannt worden sei, sei wenig geschehen, um die Lage zu entspannen, sagte BAH-Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz in einem Statement. Mehr noch: »Die Gesetze haben die Ökonomisierung der Arzneimittelversorgung eher noch weiter verschärft.«
Ausschlaggebend seien hier vor allem die Rabatt- und auch die Exklusivverträge. Hinzu kämen die aktuell stark gestiegenen Herstellungskosten, die wiederum wegen des Preismoratoriums, der Festbeträge und der Rabattverträge nicht kompensiert werden könnten, erklärte Cranz. Das Beispiel der derzeit oft fehlenden Fiebersäfte zeige, was ein solcher Kreislauf für die Arzneimittelversorgung bedeute: »Die Folge ist, dass eine wirtschaftlich auskömmliche Produktion für viele Arzneimittel-Hersteller nicht mehr möglich ist und immer mehr Hersteller aus der Produktion aussteigen und die entsprechenden Arzneimittel dann in der Versorgung fehlen.«
Wie Bretthauer sprach sich Cranz dafür aus, Rabattverträge künftig an mehrere Arzneimittelhersteller zu vergeben. Maßgeblich müsse hier die Versorgungssicherheit sein. »Außerdem wäre es notwendig, bei den Festbeträgen und Rabattverträgen wie schon zuvor beim Preismoratorium einen Inflationsausgleich für die Arzneimittel-Hersteller vorzusehen«, so Cranz.