PrEP im klinischen Alltag hocheffektiv |
Carolin Lang |
29.03.2022 07:00 Uhr |
Die PrEP soll als kontinuierliche einmal tägliche Einnahme der Wirkstoffkombination aus Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil erfolgen. / Foto: Adobe Stock/nito
Seit September 2019 haben gesetzlich Krankenversicherte mit einem »substantiellen HIV-Infektionsrisiko« in Deutschland Anspruch auf eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Solch ein Risiko haben per Definition unter anderem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM ), als die hierzulande hauptsächlich von HIV betroffenen Personen, aber beispielsweise auch Menschen mit HIV-positivem Partner, dessen Viruslast nicht ausreichend unter Kontrolle ist. Der gesetzliche Anspruch umfasst neben Beratung und erforderlichen Untersuchungen auch die Versorgung mit Arzneimitteln. Die deutsch-österreichische S2k-Leitlinie empfiehlt dazu die Wirkstoffkombination aus Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil. Im Rahmen der PrEP nehmen HIV-negative Personen diese präventiv ein, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hat das RKI die Einführung der PrEP wissenschaftlich begleitet (Projekt EvE-PrEP). Kürzlich veröffentlichte das Institut die Ergebnisse der Evaluation, die sich auf den Zeitraum vom 1. September 2019 bis zum 31. Dezember 2020 bezieht. Dazu wertete das RKI Studien und Daten aus, die neben der am Institut etablierten und erweiterten Surveillance von HIV und weiteren sexuell übertragbaren Infektionen (STI) auch von Apotheken und der Gesetzlichen Krankenversicherung stammten.
»Insgesamt ist die PrEP eine sehr wirkungsvolle HIV-Präventionsmethode«, heißt es in der Evaluation. Die befürchtete Zunahme anderer STI aufgrund selteneren Kondomgebrauchs habe sich in der Untersuchung nicht bestätigt.
In den ausgewerteten Studien und GKV-Daten waren die PrEP-Nutzenden fast alle (98 bis 99 Prozent) männlich und zwischen 25 und 45 Jahren alt. Das RKI schätzte, dass Ende Juni 2020 zwischen 15.600 und 21.600 MSM in Deutschland die PrEP nutzten. Es zeigten sich deutliche regionale Unterschiede mit einer gehäuften Nutzung in Großstädten – allen voran Berlin.
In Bezug auf HIV-Infektionen habe sich die PrEP im klinischen Alltag als hocheffektiv erwiesen, berichtet das RKI weiter. Es kam nur vereinzelt zu HIV-Infektionen in Zusammenhang mit PrEP-Nutzung (HIV-Inzidenzrate 0,08/100 Personenjahre); in den meisten Fällen war der vermutete Grund eine geringe Adhärenz. Die Zahl der HIV-Neudiagnosen sowie die geschätzte Zahl der Neuinfektionen hat in Deutschland und in der Gruppe der MSM in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen. Im Jahr 2020 lag die Zahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen bei MSM bei etwa 1100, was einem Rückgang um 300 HIV-Neuinfektionen gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Die Inzidenz von Chlamydien, Gonorrhoe und Syphilis nahm im Beobachtungszeitraum wider der Befürchtung nicht zu, sondern ging in einigen Studien sogar zurück. Allerdings müsse bei der Bewertung des Verlaufs der HIV- und STI-Inzidenzen im Jahr 2020 eine Änderung des Sexualverhaltens sowie eine geringere Verfügbarkeit von Test- und Präventionsangeboten und eine geringere Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung wegen der Coronaviruspandemie berücksichtigt werden, betont das RKI. Längere Analysen im weiteren Verlauf seien nötig, um die Auswirkungen der HIV-PrEP auf Testung und Diagnose von HIV und STI mit mehr Validität zu bestimmen.
Die SARS-CoV-2-Pandemie wirkte sich laut RKI auch auf die PrEP-Einnahme und -Nachfrage in den HIV-Schwerpunktzentren aus. So gaben in Umfragen im Zuge des ersten Lockdowns 76 Prozent der HIV-Schwerpunktzentren einen Rückgang der Nachfrage an. Die Gründe für einen PrEP-Abbruch oder PrEP-Pausen hingen zumeist mit der Pandemie zusammen.
Für Apotheker besonders interessant: Laut RKI war die Angst vor Nebenwirkungen ein häufiger Grund, warum eine PrEP gar nicht erst begonnen wurde. Als Grund für Unterbrechung oder Abbruch der PrEP wurden Nebenwirkungen hingegen selten genannt, womit die Angst vor Nebenwirkungen offenbar stärker ausgeprägt war als letztlich deren Häufigkeit. Hieraus ergebe sich ein Aufklärungsbedarf, um an PrEP interessierten Menschen eine informierte, faktenbasierte Entscheidung zu ermöglichen, schlussfolgert das RKI.
Für eine umfassende Beurteilung hat das RKI im Anschluss an die PrEP-Evaluation ab dem Jahr 2022 die Verstetigung eines Monitorings der Versorgung mit der HIV-PrEP in Deutschland etabliert. Das Projekt »Surveillance der Versorgung mit der HIV-Präexpositionsprophylaxe innerhalb der GKV in Deutschland« (PrEP-Surv) wird ebenfalls vom BMG gefördert.