Preis fordert Erstattung nicht abgegebener Impfdosen |
| Cornelia Dölger |
| 11.04.2025 13:00 Uhr |
Ende März lief die Frist für die Vorbestellung der Grippeimpfstoffe für die Saison 2025/26 ab, Hersteller verlängerten inzwischen. Die Zahl der Bestellungen wich laut PEI zuletzt deutlich vom ermittelten Bedarf ab. / © IMAGO/Beautiful Sports
Ende März ist die Frist für die Vorbestellung der Grippeimpfstoffe für die Saison 2025/26 eigentlich bereits abgelaufen – nicht ohne vorherige Mahnungen, die Vorbestellungen zu prüfen und zeitnah abzugeben. Erst Mitte März hatte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) den dringenden Appell an Apotheken und Arztpraxen gerichtet, die Vakzinen umgehend zu bestellen, um eine ausreichende Versorgung mit Grippeimpfstoffen für die kommende Saison sicherzustellen.
Die Zahl der Bestellungen weiche aktuell »signifikant« vom ermittelten Bedarf ab«, warnte das PEI. Weil der Herstellungsprozess einen langen Vorlauf benötige, könnten nachträgliche Bestellungen nicht berücksichtigt werden. Weitere Kontingente würden nicht zur Verfügung stehen.
Als Reaktion auf die Bestellflaute verlängerte Hersteller Sanofi-Aventis die Bestellfrist bis zum 30. April. CSL Seqirus zog nach, ebenso Viatris und Glaxo-Smith-Kline, wie die Unternehmen auf PZ-Nachfrage bestätigten.
Jutta Sommer, Inhaberin der Rats-Apotheke im hessischen Michelstadt, hat mit dem Appell ein Problem. Viele Hersteller verkauften die Vakzine inzwischen über ihren Außendienst direkt an die Praxen, sodass sich für die Apotheken das Volumen für den Sprechstundenbedarf reduziere, so Sommer im Gespräch mit der PZ.
Zudem bestehe grundsätzlich die Gefahr, auf den Bestellungen sitzenzubleiben, wenn Kalkulationen etwa für Privatrezepte oder Dosen, die die Apotheke selbst verimpft, nicht aufgehen. So berichtete Sommer, dass sie in der vergangenen Saison eine nicht abgenommene Packung Efluelda® verwerfen musste, die im Einkauf 344 Euro kostete. Sie sagt: »Wir kaufen auf eigenes Risiko, damit leben und rechnen wir.«
Trotz des Risikos bestellt Sommer weiter, weil sie nicht riskieren will, Patienten nicht mit Grippeimpfstoff versorgen zu können. Hersteller sollten aber keinen Druck auf Praxen und Apotheken ausüben, sondern mehr Ware über den Kommissionsweg beziehungsweise verlässlich über den pharmazeutischen Großhandel anbieten, fordert Sommer. Es könne nicht sein, dass die Apotheken Impfstoffe auf eigene Rechnung bevorrateten, nach der Saison womöglich vernichten und damit den Herstellern das wirtschaftliche Risiko abnehmen müssten.
ABDA-Präsident Thomas Preis sieht die Verantwortung zweifellos bei der Politik. Die Apotheken hätten einen staatlichen Versorgungsauftrag und es könne nicht sein, dass sie das finanzielle Risiko komplett allein tragen müssten, wenn sie auf nicht abgenommener Ware sitzenblieben.
Preis forderte gegenüber der PZ, dass es die Möglichkeit einer Erstattung nicht abgenommener Impfdosen geben müsse. Anders sei das Risiko bei einem nur Monate dauernden »Spotgeschäft« für die Apotheken nicht eingrenzbar, so Preis.
Der ABDA-Präsident geht davon aus, dass sich dafür in der neuen Legislatur Möglichkeiten auftun. »Wir müssen mit der Politik ins Gespräch kommen.« Das Thema gehöre auf die politische Agenda.
Auch die Ärzte finden, dass das aktuelle Bestellsystem für sie nachteilig sei. »Das Risiko wird komplett den bestellenden Hausarztpraxen aufgeladen. Es ist daher kein Wunder, dass sie bei den Bestellmengen vorsichtig sind«, betonte der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, auf PZ-Anfrage. Die Nachfrage nach Grippeimpfungen hänge von einer Vielzahl nicht beeinflussbarer Faktoren ab. »Wenn die Praxen mit ihrer Schätzung nur ein wenig daneben liegen, können sie sofort mit Regressen überzogen werden.«
Der Regressdruck müsse reduziert werden, forderte Beier. »Anstatt schon bei gerade einmal 10 Prozent ungenutzten Impfdosen sofort die Regresskeule zu schwingen, sollte die Regelung spürbar flexibilisiert werden in Richtung 50 Prozent.« Andernfalls bestehe das Risiko, dass die Impfkampagne ausgebremst werde. »Hier sollten sich die Krankenkassen mal ernsthaft fragen, ob dieser übertriebene Spardruck zielführend und im Sinne ihrer Versicherten ist.«