Teilerfolg der Pharmaindustrie |
29.11.2004 00:00 Uhr |
Einen Teilerfolg vor dem Bundessozialgericht (BSG) erzielten Bayer und Pfizer im Zusammenhang mit der Befugnis der gesetzlichen Krankenkassen, nach § 35 SGB V bei der Arzneimittelversorgung Festbeträge festzusetzen. Der Dritte Senat des BSG bejahte in den Urteilen B 3 KR 23/04 R und B 3 KR 10/04 R vom 24.11.2004 eine Klagebefugnis von Pharmaunternehmen, die sich durch Festbeträge im Wettbewerb mit anderen Arzneimittelherstellern benachteiligt sehen.
Der erste der beiden Musterprozesse begann bereits vor 15 Jahren; er beschäftigte sowohl das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe als auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Hier geht es um die am 19. Juni 1989 vom AOK-Bundesverband und sieben weiteren Spitzenverbänden der Krankenkassen unter anderem. für den Wirkstoff „Nifedipin, Gruppe II (retardiert, inklusive SL)“ zur Behandlung der akuten und chronischen Insuffizienz der Herzkranzgefäße und des Bluthochdrucks eingesetzten Festbeträge. Diese lagen nach Angaben der Bayer AG je nach Packungsgröße um 3,20 DM und 3,80 DM unter den damaligen Apothekenabgabepreisen für ihre Arzneimittel „Adalat retard“ und „Adalat SL“.
Die Bayer-Klage war beim Sozialgericht Köln mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Festbetragsfestsetzung rechtmäßig sei. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hielt die Klage für unzulässig, weil das Unternehmen „durch die Festbetragsfestsetzung als Arzneimittelhersteller nicht in rechtlich geschützten Positionen betroffen“ wurde.
Im zweiten Fall geht es um eine Festbetragsfestsetzung für ACE-Hemmer auf Grund der vorübergehend bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Vorschrift des § 35a SGB V. Geklagt hatten die beiden Pfizer-Töchter Gödecke und Parke-Davis. Sie hatten beim Landessozialgericht Berlin beantragt, die Rechtsverordnung zur Neubestimmung von Arzneimittelfestbetragsgruppen vom 21. Januar 2003 für nichtig zu erklären, soweit durch sie die Festbeträge für den Wirkstoff Quinapril sowie einer Kombination auf der Grundlage der festgelegten Äquivalenz- und Vergleichsfaktoren abgesenkt wurden. Das Landessozialgericht Berlin wies den Antrag mit der Begründung zurück, die Firmen seien wegen fehlender Rechtsverletzung nicht antragsbefugt.
In beiden Fällen hat das BSG die Urteile der Landessozialgerichte aufgehoben und erneute Verhandlungen angeordnet. Die Richter in der roten Robe bejahten ein Feststellungsinteresse der Pharmaunternehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehe ein Anspruch „auf Einhaltung gleichwertiger Wettbewerbsbedingungen beziehungsweise ein grundrechtlich eingeräumter Abwehranspruch gegen gesetzliche oder verwaltungsmäßige Maßnahmen, die den Wettbewerb der Marktteilnehmer untereinander verfälschen“.
Im Fall Bayer muss das Berufungsgericht nach Einholung von
Sachverständigengutachten klären, ob die Arzneimittel „Adalat retard“ und
„Adalat SL“ trotz des gleichen Wirkstoffs wegen der andersartigen
Bioverfügbarkeit sich so unterscheiden, „dass sie durch Arzneimittel
anderer Hersteller nicht ersetzt werden können, für die ärztliche Therapie
also unverzichtbar sind“. Auch im zweiten Fall bejahte das BSG die
Klagebefugnis, weil sich die beiden Firmen „durch die festgesetzten
Festbeträge im Wettbewerb mit den anderen Arzneimittelherstellern der in
derselben Gruppe erfassten Wirkstoffe benachteiligt sehen“. Dies wäre dann
der Fall, wenn der von ihnen hergestellte Wirkstoff Quinapril „in seiner
Wirksamkeit zu Unrecht gegenüber dem Referenzwirkstoff (Elanapril)
herabgesetzt worden ist“.
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