Klares Votum für den Systemwechsel |
01.12.2003 00:00 Uhr |
Es waren die besten Tage eines Jahres mit Höhen und Tiefen für Angela Merkel und Roman Herzog. Sie verordneten beim Leipziger Bundesparteitag der CDU einen radikalen Reformkurs. Und die Partei will diesen Weg mitgehen.
In der Leipziger Messe hat die CDU ihren in der Öffentlichkeit immer wieder heftig kritisierten sozialpolitischen Kurs grundlegend neu bestimmt. Am Montagabend verabschiedete die höchste Instanz der Partei mit beeindruckender Mehrheit das Programm mit dem Titel „Deutschland fair ändern - Ein neuer Generationenvertrag für unserer Land“. Gegen den Leitantrag votierten lediglich vier Delegierte. Das war ein überwältigender Erfolg für die Parteichefin, die in den vergangenen Monaten rastlos für einen Wandel in der Sozialpolitik geworben hatte.
Launige Akzente setzte Alt-Bundespräsident Herzog, der sich mit der nach ihm benannten Kommission für eine Reform der sozialen Sicherungssystem stark gemacht hatte. Herzog sagte, es brauche noch nicht einmal einen Ruck, um die in der Herzog-Kommission beschlossenen Veränderungen herbeizuführen. Die Gesellschaft müsse sich lediglich ein wenig bewegen, um die Reformen zu meistern. Er sehe, dass die Menschen dazu bereit seien.
Grundsätzlich will die Union die Ausweitung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. So sollen die Lohnzusatzkosten mittelfristig sogar sinken. Nur so könne Deutschland wieder wettbewerbsfähig werden. Profitieren würden von dieser Zielsetzung alle Beteiligten. „Am Ende wird es allen besser gehen als heute“, so Merkel. Angesichts der aktuellen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und einer Internationalisierung der sozialen Sicherungssysteme bedürfe es nun einer „grundlegenden Kurskorrektur“.
Wechsel nach Wahlsieg
Gleich nach dem erhofften Wahlsieg im Jahr 2006 möchten die Christdemokraten den Systemwechsel in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einläuten. Die Gesundheitsprämie, für viele immer noch die Kopfprämie, ist der wichtigste Eckpfeiler im Modell der Union. So soll die bisher einkommensabhängige Krankenversicherung von einem Modell mit festen Prämien für alle abgelöst werden. Jeder erwachsene Versicherte soll den gleichen Beitrag von 200 Euro zahlen - egal wie viel er verdient. Im Basiskonzept der Herzog-Kommission war zunächst ein deutlich höherer Beitrag angesetzt. Nach Abstimmung mit dem Arbeitnehmerflügel der Union und anderen Interessensgruppen wurde der Tarif jedoch überarbeitet.
Ziel bleibt aber, diesen Teil der Sozialversicherung von der Lohnentwicklung abzukoppeln und damit stabiler zu gestalten. Die Arbeitnehmer erhalten dauerhaft 6,5 Prozent ihres Verdienstes vom Arbeitgeber direkt ausgezahlt.
Der Beitrag für die Kinder soll komplett aus Steuermitteln bestritten werden. Darüber hinaus sollen Geringverdiener und Familien ebenfalls aus Steuermitteln einen Sozialausgleich erhalten. Dieser setzt bei Familieneinkommen unter 2500 Euro brutto im Monat ein. Zur Finanzierung des Sozialausgleichs soll dieser Betrag versteuert werden. Dennoch bleibt auch nach internen Berechnungen eine Deckungslücke von rund 10 Milliarden Euro.
Kritik kam am Dienstag aus der Koalition. SPD und Grüne plädieren für eine Bürgerversicherung. Sie würde Freiberufler und Beamte in die GKV einbeziehen. Die CDU hat dies verworfen, weil sie der Auffassung ist, dass damit das System nicht gerettet werden kann. Die CSU hat noch keine abschließende Ansicht. Allerdings ist bislang eine Einigung noch in weiter Ferne.
Rente sanft reformieren
Das Rentensystem soll nach CDU-Ansicht beibehalten werden, allerdings um kapitalgedeckte Elemente ergänzt werden. Eine abschlagsfreie Rente soll es wegen der Altersentwicklung erst nach 45 Beitragsjahren oder dem 67. Lebensjahr geben. Eine Basisrente, die 15 Prozent über dem Sozialhilfeniveau liegt, soll Altersarmut verhindern. Die angerechneten Kindererziehungszeiten sollen erhöht werden. Dies soll unter anderem durch Einsparungen bei der Hinterbliebenenversorgung finanziert werden.
Im letzten Moment wurde mit in den Leitantrag die Forderung aufgenommen, den Beitrag von Erziehenden um 50 Euro im Monat zu entlasten. Ein demographischer Faktor soll die Rentenhöhe künftig an den Altersaufbau in der Bevölkerung koppeln.
Bei der Rente liegen SPD und CDU nicht so weit auseinander. Auch die
Sozialdemokraten wollen einen demografischen Faktor, den sie bloß
„Nachhaltigkeitsfaktor“ nennen. Solche Kinderkomponenten wie die CDU plant
die SPD nicht. Zwischen CDU und CSU ist vor allem die Finanzierung des
Erziehungsbonus umstritten. Die CSU will dies allein aus den Beiträgen
finanzieren, die CDU aus Steuermitteln.
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