Finanzpolster ist in vier Jahren aufgebraucht |
29.11.1999 00:00 Uhr |
Politik
PFLEGEVERSICHERUNG
Für die Pflegekasse kann es finanziell sehr eng werden. Grund: die Sparpolitik der Bundesregierung und die demographische Entwicklung. "Der Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung ist in vier Jahren aufgebraucht, wenn die Beitragseinnahmen etwa gleich bleiben, der Lohnzuwachs nur geringfügig ausfällt und die erwarteten Ausgabensteigerungen eintreffen", weist Tullio Sartori, Abteilungsleiter Pflegeversicherung beim Bundesversicherungsamt (BVA) auf die finanzielle Situation hin.
Das Sparpaket der Koalition schlage in der Pflegeversicherung negativ zu Buche, weil die Bemessungsgrundlage für die Pflegebeiträge bei den Beziehern von Arbeitslosenhilfe neu festgelegt wird. Die von der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit überwiesenen Zahlungen orientieren sich künftig nicht mehr an 80 Prozent des vor der Arbeitslosigkeit bezogenen Bruttoentgelts, sondern nur noch an der tatsächlichen Höhe der Arbeitslosenhilfe - das sind 53 und 57 Prozent (mit Kind) des letzten Nettogehalts. Der Pflegeversicherung entgehen dadurch rund 400 Millionen DM pro Jahr, die Arbeitsminister Walter Riester wiederum in seinem Etat einsparen kann.
Das BVA rechnet damit, dass darüber hinaus pro Jahr Mehrausgaben von 800 bis 900 Millionen DM aufgrund der Altersentwicklung anfallen, weil jedes Jahr nach Sartoris Angaben 100 000 Menschen zusätzlich zum Pflegefall werden.
Zur Zeit beläuft sich der Ausgleichsfonds der Pflege noch auf 5,5 Milliarden DM. Rund 1,5 Milliarden DM sind nach Auffassung des BVA notwendig, damit die insgesamt 450 Pflegekassen in Deutschland mit ihren unterschiedlichen Zahlungszeitpunkten zahlungsfähig bleiben.
Wenn das finanzielle Polster im Ausgleichsfonds in vier Jahren aufgebraucht sein sollte, kommt die Pflegeversicherung an einer Beitragssatzerhöhung kaum vorbei. Eine Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte würde 1,8 Milliarden DM pro Jahr zusätzlich in die Pflegekasse bringen.
Die Bundesregierung setzt derweil auf das Prinzip Hoffnung. Sie verlässt sich darauf,
dass das von den vier Wirtschaftsweisen vorausgesagte Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent
auch eintritt und die Einnahmen in der Pflegeversicherung entsprechend steigen. Beim BVA
hält man von solchen optimistischen Prognosen allerdings wenig. Der finanzielle Spielraum
für die Pflegeversicherung wird ohnehin noch enger, wenn die von vielen Politikern
geforderten Verbesserungen für Demenzkranke kommen sollten.
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