Versorgung und sozialer Friede in Gefahr |
11.11.2002 00:00 Uhr |
von Thomas Bellartz, Berlin
Der Ärger war zwar kanalisiert. Doch im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin war den Spitzen von Apotheker- und Ärzteschaft anzumerken, dass die Leidensfähigkeit Grenzen hat. Für die Politik der rot-grünen Regierung hat man in den Gesundheitsberufen kein Verständnis.
Das Bündnis Gesundheit 2000 hatte an selber Stelle noch im September der Regierung die Hand gereicht. Man wolle gemeinsam Reformen für den Erhalt des Gesundheitswesens auf den Weg bringen. Doch wenige Wochen später scheint die Gesprächsebene zwischen Bundesregierung und den Gesundheitsberufen vollends zerstört.
Der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Hans-Günter Friese, machte unmissverständlich klar, dass das Vorschaltgesetz, von der Bundesregierung in die Worthülse Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) verpackt, nicht nur zu massiven Ertrags- und Arbeitsplatzverlusten in der deutschen Apothekenlandschaft, sondern auch zu einem Apothekensterben führen werde.
Friese bemängelte die enormen Belastungen für die deutschen Apotheken von über 1,2 Milliarden Euro, und kritisierte heftig, dass den Apotheken das Inkasso sowie die Kreditierung der Rabatte Dritter für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) aufgebürdet werde. Die Auswirkungen des Gesetzes insgesamt seien „existenzvernichtend“. Innerhalb der ABDA gehe man davon aus, dass mit diesem Gesetz bereits kurzfristig rund 20 000 Arbeitsplätze vernichtet würden. Friese: „Diese Zahl wird sich mittel- und langfristig weiter erhöhen.“ Schuld daran sei die verfehlte Politik der Regierung. Diese ignoriere die Faktenlage und baue dann auf einer falschen Politik auf.
Der ABDA-Präsident kritisierte, dass die Regierung mit der Halbierung der Erträge der Apotheken gleichzeitig bewusst die Verschlechterung der Versorgungsqualität in Kauf nehme. Man habe Rot-Grün immer wieder Vorschläge unterbreitet, wie man zum Beispiel mit einer Novellierung der Arzneimittelpreisverordnung die GKV entlasten könne, sei aber nicht gehört worden.
Friese machte klar, dass man auch weiterhin zum Dialog bereit sei, sich aber mit allen Mitteln zur Wehr setzen werde. Zudem kündigte der ABDA-Präsident juristische Maßnahmen an.
Grenze erreicht
Auch der Präsident der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, ließ kein gutes Haar am Vorschaltgesetz der Bundesregierung. Der Kostenstopp führe unweigerlich auch zum Leistungsstopp, es werde erhebliche Verschlechterungen der Arbeitssituation für die Angestellten in allen Bereichen des Gesundheitswesen geben. „Wir können nicht mehr“, sagte Hoppe und ärgerte sich sichtlich darüber, dass Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) die Ärzteschaft des Jammerns bezichtige. Das treffe nicht nur ihn und seine Kolleginnen und Kollegen, sondern auch die Patientinnen und Patienten.
Man sei dafür, das Gesundheitswesen zu reformieren. Aber es dürfe nicht sein, dass jetzt gespart werde ohne zu wissen wie es weiter geht. Hoppe: „Wir bewegen uns im Eiltempo auf englische Verhältnisse zu.“ Insbesondere sorgt sich der Ärztepräsident um den sozialen Frieden im Gesundheitswesen. Man werde gegen die Pläne demonstrieren und sich zur Wehr setzen.
Planbare Operationen würden Krankenhäuser, sofern die Budgets
aufgebraucht sind, verschieben. Das kündigte Dr. Burghard Rocke, Präsident
der Deutschen Krankenhausgesellschaft in der Hauptstadt an. Eine von vielen
Methoden des Ungehorsams sei es, die ausufernde Bürokratie in den Kliniken
einfach wegzulassen. Die Kahlschlagpolitik der Ministerin Schmidt führe
nicht zu einer Nullrunde, sondern faktisch zu Budgetkürzungen. Krankenhäuser
würden zu staatlichen Mangelverwaltern degradiert. Dabei hätten sie
grundsätzlich die Aufgabe, Patienten möglichst gut zu versorgen. Mit den
aktuellen Gesetzesinitiativen sieht Rocke dies in Gefahr.
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