Kassen machen Stimmung |
12.11.2001 00:00 Uhr |
"Wir kümmern uns", lautet das Motto der BKK Post. Das hat der Vorstand derart ernst genommen, dass er sich gemeinsam mit einer ganzen Reihe anderer Betriebs- und Ersatzkassen zu einer "Initiative für den Arzneimittelversandhandel" zusammengeschlossen hat. Am 7. November stellte sich das Ensemble der Öffentlichkeit vor.
Ein Großteil der 120 Millionen DM Einsparungen aus anderen Bereichen gebe die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) "direkt weiter auf die Konten von Pharmaindustrie und Apotheken", schoss KKH-Vorstandsvorsitzender Ingo Kailuweit scharf. Zum gegenseitigen Mutmachen hatte sich der KHH-Mann Vorstände der BKK Post und der Techniker Krankenkasse ins Boot geholt.
Der medienwirksame Auftritt in der Pressekonferenz sollte der Startschuss für eine gemeinsame Initiative für die Einführung des Versandhandels werden. Doch allzu einig schienen sich die im Kassengeschäft als Kontrahenten auftretenden Lobbyisten noch nicht einmal bei dieser Initiativbildung zu sein. Über Detailfragen müsse man noch diskutieren, ließ TK-Vorstandsmitglied Hellmuth Doose vernehmen und zuckte bei Detailfragen verlegen mit den Schultern. Nicht im Boot sind die unzähligen anderen Betriebskrankenkassen, aber auch von den großen Kassen - AOK, DAK oder der Barmer - war nichts zu hören oder zu sehen. Dafür habe die AOK wenigstens gute Wünsche übermittelt.
Die Argumentationsketten der Kassen sind bekannt: Alles wird teurer, die Arzneimittelpreise und die Apotheken sind schuld, die Ministerin auch, und das Allheilmittel liegt im Versandhandel von Arzneimitteln. Man wolle den Patienten den "lästigen Gang in die Apotheke" ersparen.
Natürlich betonten die drei Funktionäre, die stellvertretend für rund 30 an der Initiative beteiligte Ersatz- und Betriebskrankenkassen sprachen, dass ein Wettbewerb zwischen Offizin- und Versandapotheken nur zu gleichen Bedingungen möglich wäre. Die Leistungen, die heute von den Apotheken erbracht würden, müssten auch von den Versandapotheken geleistet werden. Überhaupt würden vom Versandhandel nicht nur die Kassen durch Kosteneinsparungen von bis zu einer Milliarde DM profitieren, sondern besonders auch chronisch Kranke. Ein 7-Punkte-Programm (siehe Kasten) skizziere die Verhandlungsbasis für die Einführung des Versandhandels in Deutschland.
Geld als Anreiz
BKK Post-Boss Götz Emrich will seinen Mitgliedern als Anreiz Geld bieten, "zum Beispiel 50 Euro", wenn Sie am Versandhandel mit Arzneimitteln teilnehmen. Emrich hat bereits mit der Schweizer Versand-Apotheke Mediservice einen Vertrag geschlossen. Eine Lachsalve unter den anwesenden Journalisten löste die Erkenntnis aus, dass von den über eine halbe Million Mitgliedern der BKK Post immerhin 20 (!) den Versandhandel in der Schweiz nutzen.
Einen Mitstreiter hatten sich die Kassen mit dem Bremer Professor Dr. Gerd Glaeske an die Seite geholt. Der mäkelte an den deutschen Offizin-Apotheken herum: "Nur 20 bis 30 Prozent beraten gut", so Glaeske. Er vermute, dass der Versandhandel hier zu deutlichen Verbesserungen führen werde.
Doch erwarte er keine reinen Internetversender als neue Marktbeteiligte. Er sieht vielmehr die jetzt bestehenden Apotheken selbst als mögliche Kandidaten für den Versandhandel.
International gebe es gute Erfahrungen, ließ das Männerquartett im Chor erklingen - auch wenn bislang in Europa nur in den Niederlanden, in Großbritannien und der Schweiz Versandhandel zugelassen sei. Emrich widersprach einer Studie, wonach der Versandhandel in der Schweiz teurer sei, als der reine Apothekenvertrieb. Auf Nachfrage der PZ ließ Glaeske wissen, dass es keinen Versandhandel in den vielen anderen europäischen Ländern gebe, weil eben dort die Gesundheitssysteme anders funktionierten.
7-Punkte-Programm 1. Der kontrollierte Arzneimittelversandhandel nach Schweizer Muster ist in Deutschland zuzulassen. Die Apothekerschaft sollte ihre Fachkompetenz bei der Entwicklung neuer, innovativer Distributionswege für Arzneimittel einbringen.
2. Zur Gewährleistung des vorbeugenden Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den qualifizierten Arzneimittelversandhandel zu schaffen.
3. Ohne ärztliche Verordnung sind keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel über den Versandhandel zu distribuieren. Arzneimittel sind ausschließlich durch Apotheker in den Verkehr zu bringen.
4. Durch neue, innovative Distributionswege darf der unkontrollierte Zugang zu Arzneimitteln nicht vereinfacht werden. Der Verbraucher muss vor Arzneimittelfälschungen geschützt werden.
5. Zwischen den Leistungserbringern (Apothekern) ist eine geregelter Qualitäts- und Leistungswettbewerb - bei fairen Wettbewerbsbedingungen - zuzulassen.
6. Direct Service Apotheken sind durch ein amtliches Gütesiegel zu kennzeichnen, um dem Verbraucher eine eindeutige Orientierungshilfe zu bieten. Die Verbraucher sollen die Freiheit haben, den Bezugsweg ihrer Medikamente frei zu wählen.
7. Das im Bereich der Arzneimitteldistribution vorhandene Einsparpotenzial ist zu Gunsten der solidarisch finanzierten Krankenversicherung zu realisieren.
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