Kein Lob für Ulla Schmidt |
09.09.2002 00:00 Uhr |
von Thomas Bellartz, Berlin
Wenn es um die Wählergunst geht, dann bleibt die Gesundheitspolitik auf der Strecke. Das ist eine der wenigen wirklichen Erkenntnisse des Fernsehduells zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinem Herausforderer Edmund Stoiber (CSU). Nur in der Personalpolitik wurde vieles klarer.
Schon lange vor dem Duell waren die beiden „Lautsprecher“ von Union und SPD, die Generalsekretäre Laurenz Meyer und Franz Müntefering, im riesigen Medienzentrum auf dem Studiogelände in Berlin-Adlershof eingetroffen. Schon vor dem Duell war für beide klar: Der eigene Kandidat wird der bessere sein. Schon zu dieser Zeit wurde der Platz für tiefergehende Inhalte mit Floskeln und Binsen gefüllt. Die aufgeregte Journaille fragte eifrig nach. Ob Kanzler und Ministerpräsident noch einmal intensiv vorbereitet würden, wie sie die letzten Minuten verbringen, wer an ihrer Seite steht, sitzt oder liegt und so weiter.
Die Duellanten selbst beschäftigten sich vornehmlich mit der Irak-Krise, dem internationalen Terror und der Arbeitsmarktpolitik. Es wurde eifrigst über Koalitionen spekuliert, Jürgen Möllemann tauchte recht prominent auf und natürlich auch der Obergrüne Joschka Fischer. Die Rentenpolitik wurde nur am Rande gestreift, von den Problemen in den neuen Bundesländern ganz zu schweigen.
Erst zehn Minuten vor dem avisierten Ende des Rededuells reichte es für ein Minimalstatement des Kanzlers zur Gesundheitspolitik. Die von den Moderatorinnen ins Spiel gebrachte Bemerkung „fatal“ für die Situation bei Rente und Gesundheit negierte Schröder lediglich für die Rente. Ansonsten wand er sich aus der Verantwortung: „Die Beiträge machen nicht wir, sondern die werden von den Kassen festgelegt.“ Im Übrigen dürfe man sich beim Kassendefizit nicht nur das erste Halbjahr anschauen. Dabei beließ es der Regierungschef. Auch sein Herausforderer blieb wortkarg. Nach Stoibers Ansicht leiden die sozialen Sicherungssysteme wegen der fehlenden Einnahmen unter der hohen Arbeitslosigkeit. Das Sozialwesen könne nicht durch Reformen gesichert werden, sondern durch einen Abbau der Arbeitslosigkeit. Deswegen werde man die Wahlen gewinnen. In seinem Schlussstatement wies Stoiber noch einmal darauf hin, dass Sozialhilfeempfänger keine bessere Krankenversorgung bekommen dürften als Kassenversicherte.
Nicht zur Geltung gekommen
Stoibers Berater Michael Spreng, ehedem Chefredakteur der „Bild am Sonntag“, hätte sich gewünscht, dass die Gesundheitspolitik stärker in den Mittelpunkt rückt. Spreng: „Denn da hat die Regierung total versagt.“ Moderatorin Maybrit Illner sagte, dass das Thema zwar auf der Prioritätenliste stand, aber wegen der langen Wortgefechte zu den Themen Irak und Arbeitslosigkeit nicht zur Geltung gekommen sei. CDU-Generalsekretär Meyer machte die Moderation dafür verantwortlich, dass die Sozialpolitik nur am Rande auftauchte. Besonders in der Gesundheitspolitik habe die SPD „abgewirtschaftet“. SPD-General Müntefering war hingegen mit dem Verlauf der Diskussion zufrieden. Besonders das Lob für die Frauen im Kabinett sei wichtig gewesen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn Schröder lobte zwar explizit die Ministerinnen Däubler-Gmelin, Bulmahn und Wieczorek-Zeul. Sogar Familienministerin Bergmann, die nach der Wahl zur Auswechslung ansteht, wurde vom Kanzler gelobt. Kein Wort allerdings fiel über Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Da Schröder es nun zum wiederholten Mal unterlassen hat, die Aachenerin zu seinen Liebsten zu zählen, wird wohl bei einer neuen SPD-geführten Regierung Schmidt eher nicht mehr dabei sein.
Stoiber scheint sich in seiner Partei klar auf einen möglichen Gesundheitsminister festgelegt zu haben. Neben Lothar Späth und Wolfgang Schäuble ist Horst Seehofer für den Kandidaten eine zentrale Größe. Das machen die von Seehofer kopierten Argumentationsketten ebenso deutlich wie die Betonung der Kompetenz und Erfahrung des früheren Gesundheitsministers.
Doch auch nach diesem Duell bleibt das Rennen offen. Die Personalfragen
werden erst nach der Wahl in den Parteizentralen und dann am
Koalitionstisch geklärt. Recht behält wohl CSU-Generalsekretär Thomas
Goppel: „Das war nur eine Momentaufnahme. Die nächsten beiden Wochen
bringen die Entscheidung.“
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