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Festbeträge und Unternehmenspolitik gefährden den Standort Deutschland

28.03.2005  00:00 Uhr
Handelsblatt

Festbeträge und Unternehmenspolitik gefährden den Standort Deutschland

von Hartmut Morck, Berlin

Die Referenten der Handelsblatt-Jahrestagung 2005 diskutierten über Deutschland als Standort für Forschung und Herstellung. Das Ergebnis stimmt nicht optimistisch. Nach Meinung der Experten müsste sich auf beiden Feldern einiges ändern. An der Situation sind allerdings auch die Unternehmen schuld.

Bei der Forschung belegt Deutschland nur einen Platz im hinteren Mittelfeld, sagte Professor Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Stärken haben die deutschen Forscher in der Physik, in der Mathematik und im Maschinenbau.

Die Klinische Forschung in Deutschland werde allerdings den Anforderungen einer sich wandelnden Gesellschaft nicht mehr gerecht. Im Ländervergleich nimmt Deutschland hier inzwischen den vorletzten Platz ein. Winnacker forderte deshalb neue Formen der Forschungsförderung. Drittmittel sollten den Wissenschaftlern direkt zur Verfügung stehen und nicht den Kliniken zur Krankenversorgung.

85 Prozent kommen zurück

Winnacker hält den Aufbau von Spitzenuniversitäten und Excellenz-Zentren an Universitäten für notwendig. Zunächst müsste aber die Blockadepolitik der Länder überwunden werden. Der landläufigen Meinung, dass deutsche Wissenschafter vermehrt ins Ausland abwanderten, widersprach Winnacker. Mehr als 85 Prozent der Forscher kehrten nach ihrem Auslandsaufenthalt nach Deutschland zurück.

Dr. Dieter Götte, bei Sanofi-Aventis für die medizinische Forschung zuständig, forderte ein höheres Engagement des Bundes in der Forschung. Über 60 Prozent der Forschungsgelder im Gesundheitswesen stammten aus der Industrie, während der Staat sich weiter aus der Forschungsförderung zurückziehe. Außerdem werde durch mehr Bürokratie die Motivation zur industriellen Forschung nicht gefördert. Die 12. AMG-Novelle werde dies noch weiter verschlechtern. Für Götte ist es daher nicht verwunderlich, dass von 130 Forschungszentren weltweit nur zehn in Deutschland sind, davon werden fünf von ausländischen Firmen betrieben. Götte hat kein Verständnis dafür, dass vor dem Hintergrund eines steigenden internationalen Wettbewerbs in Deutschland die industrielle Forschung durch Mehrbelastung erschwert werde.

Schuld an der Verschlechterung der Situation in Deutschland habe nicht nur die Politik, sagte Professor Dr. Peter Wesner. Die starke Orientierung am Shareholder Value lasse Manager weniger in Forschung und Entwicklung investieren. Investitionen schmälerten zumindest kurzfristig den Gewinn und damit oft auch die Bezüge der Manager. Somit bestehe bei ihnen kein Anreiz für eigentlich notwendige Investitionen.

Das GKV-Modernisierungsgesetz habe außerdem dazu beigetragen, dass die Mehrzahl der Unternehmen die Ausgaben in Forschung und Entwicklung reduzieren wollen. Andererseits sei auch die Schrumpfung kein probates Mittel, den Unternehmenswert zu steigern. Wesner: »Es hat sich zwar schon mancher gesund geschrumpft, aber noch keiner groß geschrumpft.« Nach Wesners Meinung kann dieser negativen Entwicklung nur entgegengewirkt werden durch Einsatz neuer Steuerungsgrößen, die tatsächlich zu einer Wertorientierung in der Unternehmenssteuerung führen.

Investitionen für Forschung und Entwicklung sollten durch Aktivierung zunächst erfolgsneutral gehalten werden. Dadurch könnten neue Investitionsanreize geschaffen werden, so dass wertsteigerndes internes Wachstum nicht durch überhöhte Hürden gebremst würde.

Die Industrie sieht erwartungsgemäß auch die Festbeträge als Investitionshemmnis. Deshalb bezweifelte Philip Burchard, Geschäftsführer bei AstraZeneca, ihren Sinn. Die Finanzierung der GKV sei zwar aus dem Gleichgewicht geraten. Die Festbeträge könnten auch zur Kostendämpfung beitragen. Gleichzeitig erschwerten sie jedoch die optimale Versorgung mit innovativen Arzneimitteln.

Festbeträge würden den Wettbewerb einschränken, böten keine Anreize für Innovationen und medizinische Entwicklungen. Außerdem schränkten sie die Therapiewahl und langfristig auch die Versorgungsqualität ein. Burchards Forderung, ein neues System zu entwickeln, das Fortschritt und medizinische Qualität anerkennt und damit langfristig zur Kosteneffektivität führt. Eine solche Lösung sieht er zwischen einer staatlichen Regulation und freier Preisbildung angesiedelt.

Auch Dr. Stefan J. Oschmann bezeichnete Deutschland bezüglich einer effektiven Versorgungsforschung als Entwicklungsland. Er glaubt auch nicht, dass das neue Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) die Situation verbessern werde. Das deutsche Gesundheitssystem sei totalitär aufgebaut. »Wir brauchen mehr Demokratie, mehr Kooperation und mehr Transparenz.« Nur so sei eine breite Diskussion um den Nutzen von Arzneimitteln zu führen. Das National Institute for Clinical Excellence (NICE) in Großbritannien sei ein Beispiel, an dem sich Deutschland orientieren könne. Das IQWiG dagegen nur eine schlechte Kopie des NICE.

Voraussetzung sei allerdings, keine weitere Einschränkung des Patentschutzes und des Wettbewerbs, kein Missbrauch der Nutzenbewertung als Instrument der Kostensenkung, keine Bewertung der Wirtschaftlichkeit anhand der Arzneimittelpreise, keine Beschränkung der Therapiefreiheit, und keine zweite Zulassung, sondern Anwendungsempfehlungen für den Arzt. Qualität müsse vor Kosten stehen. Großbritannien habe es geschafft, im Ranking von einem hinteren Platz an die Spitze zu komme, Deutschland sei den umgekehrten Weg gegangen. Top

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