Konturen im Trüben |
12.01.2004 00:00 Uhr |
Jederzeit und überall ist zu hören, dass die Versicherten und vor allem die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt der aktuellen Gesundheitspolitik stehen. Seit wenigen Tagen ist das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) in Kraft, die neue Patientenbeteiligungsverordnung passierte soeben den Bundesrat.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist auf Werbetour für die Gesundheitsreform. Auf den entsprechenden Veranstaltungen, erklärt sie, dass durch die neue Gesetzgebung Patientensouveränität und Patientenrechte verbessert und gesichert werden, Wahl- und Mitsprachemöglichkeiten würden ebenfalls vergrößert. Patienten und Patientenvertreter teilen diese Auffassung jedoch nicht generell und bewerten die vorgesehenen Maßnahmen auch nicht durchweg positiv.
Die neuen Rechte sollen primär die Patientensouveränität steigern. Im Einzelnen geht es um mehr Transparenz, Mitsprache und Mitbestimmung. So haben Patienten demnächst beispielsweise das Anrecht auf eine Patientenquittung von ihrem Arzt. Diese Quittung soll für mehr Kosten- und Leistungstransparenz sorgen. Sie wird auf Wunsch einmal im Quartal ausgestellt. Das Vorhaben ist richtig, allerdings zeigen die Erfahrungen anderer Länder, dass die Patientenquittung nur dann nachgefragt wird, wenn auf Patientenseite Anreize für eine Einsichtnahme gegeben sind.
Die elektronische Gesundheitskarte, die ab 2006 eingeführt werden soll, ist mit den darauf enthaltenen, freiwilligen Daten besser dazu geeignet, Transparenz in das System zu bringen. Darin sind sich alle einig. Allerdings scheint die bürokratische und technische Umsetzung komplizierter als der Wunsch und es wird sich zeigen, ob der ehrgeizige Zeitplan eingehalten werden kann. Weiterhin wurde das Amt einer Patientenbeauftragten geschaffen und ist seit wenigen Tagen mit der noch amtierenden gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD Bundstagsfraktion, Helga Kühn-Mengel, MdB, besetzt.
Schnittstelle
Die Patientenbeauftragte soll vor allem als Schnittstelle zwischen den Patienten und dem Deutschem Bundestag agieren. Allerdings sind ihre, im Zuge der GMG Gesetzentwicklung bereits präzisierten Gesetzesmitwirkungs- und Antragsrechte, sowie Regelungen zur Akteneinsicht, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder gestrichen worden.
Die vierte und zurzeit interessanteste Baustelle ist das Beteiligungsrecht von Patientenvertretern im neuen Gemeinsamen Bundesausschuss. Dieser Ausschuss ist ein Zusammenschluss aus den vorherigen Gremien: Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen, Koordinierungsausschuss und dem Ausschuss Krankenhaus. Die Patientenbeteiligung wird, daraus machte der bislang amtierende Gremienchef Karl Jung keinen Hehl, eher skeptisch beurteil. So wurden, noch vor einer möglichen Patientenmitsprache, Beschlüsse wie beispielsweise zur Sonden- und Ergänzungsnahrung sowie die Heilmittel-, Reha oder Krankentransportrichtlinie eilig durch den Ausschuss gepeitscht. Hierzu gehören auch die Liste der weiterhin durch die GKV erstattungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, mehrere Empfehlungen zu strukturierten Behandlungsprogrammen, sowie die Definition, wer zukünftig noch als chronisch krank anerkannt wird. Letztere beispielsweise ist so eng ausgelegt, dass viele Menschen, die bislang als chronisch krank galten, in Zukunft nicht mehr in den Genuss einer reduzierten Zuzahlungsobergrenze kommen.
Kein Stimmrecht
Auch die Auswahl der Patientenvertreter im gemeinsamen Bundesausschuss ist strittig. Die vom BMGS erarbeitete Patientenbeteiligungsverordnung soll hier Aufschluss bringen. In ihr werden explizit vier Verbände genannt, die Vertreter entsenden sollen: der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen und der Verbraucherzentrale Bundesverband. Sie haben laut Verordnung ein Mitberatungs- und Antragsrecht, aber kein Stimmrecht. Das BMGS behält sich vor, neue Patientenvertreter zu benennen.
Die Patientenbeteiligungsverordnung hat am 19. Dezember 2003 den Bundesrat passiert und tritt somit nach Bekanntgabe im Bundesanzeiger in Kraft. Aber auch im Bundesrat waren die vorgesehenen Maßgaben strittig, weshalb mehrere Änderungsanträge verschiedener Länder zuerst gestellt, in letzter Minute jedoch auf politisches Taktieren seitens des BMGS wieder zurückgezogen wurden.
Umstritten ist immer noch die Besetzung der Patientenbank. So hat der Deutsche Behindertenrat zwischenzeitlich signalisiert, dass er auf Grund seiner Struktur gar nicht die nötigen Vorgaben der Patientenbeteiligungsverordnung erfüllt. Auch andere Organisationen wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH), der paritätische Wohlfahrtsverband oder der Sozialverband Deutschland (SoVD) wurden inzwischen ins Spiel gebracht.
Man darf also weiter gespannt sein, wann und wie sich die Beteiligung
von Patienten im Gesundheitswesen darstellen wird. Die erste Runde
allerdings war wohl vor allem politisches Gerangel.
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