Belastbarkeit der Apotheken überschätzt |
11.11.2002 00:00 Uhr |
von Ute Burtke, Berlin
Von „verbesserungswürdig“ bis „katastrophal“ reichen die Stellungnahmen von Verbänden, Krankenkassen und Organisationen zum Entwurf des Beitragssatzsicherungsgesetzes und dem Regierungsentwurf des „Zwölften Gesetzes zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches“.
Zur öffentlichen Anhörung im Bundestags-Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hatten die Gesundheitsakteure ihre „erste Garde“ nach Berlin in den Reichstag geschickt. Das Ergebnis: keiner ist davon überzeugt, dass sich die von rot-grün auf rund 3,4 Milliarden Euro gerechneten Einsparungen realisieren lassen. Sehr wohl aber ließen sich die verheerenden Auswirkungen auf Arbeitsplätze beziffern. Ein vernichtendes Urteil fällt die ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände über den Entwurf des Beitragssicherungsgesetzes in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die finanzielle Belastbarkeit der Apotheken werde überschätzt.
Die Lastenverteilung führe dazu, dass die zu versteuernden Einkommen der Apotheken um insgesamt 1,2 Milliarden Euro eingespart werden, weil der Großhandel seine GKV-Rabatte durch Verschlechterung der Einkaufskonditionen auf die Apotheken abwälzen werde.
„Die Absicht, den Apotheken das Inkasso der neuen Hersteller- und Großhandelsrabatte aufzuerlegen, ist ungerechtfertig und auch verfahrenstechnisch so komplex, dass bereits im Januar 2003 die Arzneimittelabrechnung kollabieren würde“, prophezeit ABDA-Präsident Hans-Günter Friese.
Ebenso kritisch sieht der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) die Pläne der Regierung. Die erneute Erhöhung des Apothekenabschlags und die Kumulierung der Apotheken- und Großhandelsabschläge auf Apothekenebene übersteige die Belastbarkeit der öffentlichen Apotheken bei weitem, belaste den pharmazeutischen Großhandel durch den Bonitätsverlust seiner Abnehmer und führe zu einem Kahlschlag bei der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Der Phagro hält Teile des Gesetzentwurfs auch für verfassungsrechtlich unhaltbar. So bürde die Einbeziehung des Phagros in die Abrechnung der Rabatte der pharmazeutischen Unternehmen dem Großhandel hohe Kosten für Inkassotätigkeit in fremdem Interesse auf, die sozialrechtliche Regelung stehe im Konflikt mit der Arzneimittelpreisverordnung.
Rabatte, Rabatte, Rabatte
Für die Mitglieder des Gesundheitsausschusses war in der Fragerunde das Thema Rabatte immer wieder von Interesse . „Die naturalen und monetären Rabatte und Skonti, die die Apotheken von ihren Lieferanten erhalten, bewegten sich 2001 in einer Größenordnung von 1,1 Milliarden Euro. Zugleich gewährten die Apotheken der GKV Rabatte in einem Umfang von 1,5 Milliarden Euro. Die GKV kommt also in den Genuss wesentlich höherer Vorteile“, versuchte Friese falsche Vorstellungen zu korrigieren.
Und er konfrontiert die Parlamentarier mit der praktischen Umsetzung der
Rabattregelung, wie sie im Gesetz stehen soll: „Bei einem Medikament, das
den Werkshof verlässt, weiß doch niemand, ob es von der GKV, der privaten
Krankenversicherungen oder dem Kunden selbst bezahlt wird? Das ist technisch
nur mit riesigem Aufwand nachvollziehbar.“ Nach seiner Auffassung sind vor
allem folgende Änderungen im Entwurf dringend notwendig: Den Apotheken
sollte nicht das Inkasso von GKV-Rabatten Dritter auferlegt werden, der
Adressat GKV hiermit selbst befasst werden. Anstelle der vorgesehenen
Erhöhung der Apothekenrabatte sowie der Großhandelsrabatte an die GKV sollte
die Arzneimittelpreisverordnung umgestaltet werden. Er verwies auf den
gemeinsamen Entwurf von ABDA und Phagro.
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