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Im Kreuzfeuer: Reform der Arzneimittelversorgung

27.09.1999  00:00 Uhr

- Politik Govi-Verlag

ÖFFENTLICHE ANHÖRUNG

Im Kreuzfeuer: Reform der Arzneimittelversorgung

von Karl H. Brückner, Berlin

Sprecher der Apotheker haben bei der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages die geplanten Veränderungen im Arzneimittelbereich kritisiert. Sektorale Budgets, Positivliste und die Verpflichtung der Apotheken zur Abgabe von parallel- und reimportierten Medikamenten sind in der Anhörung zur GKV-Reform 2000 aber auch von anderen Sachverständigen und Verbandssprechern überwiegend negativ beurteilt worden. Überwältigend war die Kritik an der geplanten Verschärfung der Arzneibudgetierung durch eine Absenkung auf die drei Regionen mit den niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben (Benchmarking).

Der Gesetzentwurf beschreite tradierte Wege der Kostendämpfung, während die Einnahmeprobleme der GKV völlig ausgeblendet würden, hielt die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Cornelia Yzer, den Abgeordneten vor. "Über kurz oder lang" werde dies "zwangsläufig in eine starke Rationierung führen müssen", da demographische Entwicklung und medizinischer Fortschritt auch künftig eine Leistungsdynamik entfalten würden. Die Koalition erreiche auf diesem Kurs ihre selbst gesteckten wirtschafts- und gesundheitspolitischen Ziele nicht, prophezeite Yzer.

Sie warb erneut für den VFA-Vorschlag, den Markt nach Indikationen zu dreiteilen. Arzneimittel gegen lebensbedrohliche Erkrankungen sowie andere behandlungsbedürftige Krankheiten würden danach im GKV-Leistungskatalog bleiben, letztere aber zuzahlungspflichtig. Präparate gegen geringfügige Gesundheitsstörungen sollten dagegen vollständig vom Patienten bezahlt werden. Falls es zu einer Positivliste komme, müsse sie nach diesem Modell gestaltet werden. Außerdem fordert der Verband, neu zugelassenen Präparate automatisch in die Liste aufzunehmen.

Sprecher der Apotheker und der Pharmaverbände BPI und BAH sprachen sich dafür aus, auf die "überflüssige" Positivliste zu verzichten und statt dessen die Negativliste behutsam zu erweitern. Ferner müssten Arzneimittelbudgets durch fachgruppenspezifische Richtgrößen abgelöst werden.

Vertreter der GKV-Spitzenverbände verteidigten dagegen die Liste vor allem als Instrument, um die "rationale" Arzneitherapie zu stärken. Ähnlich argumentiert auch das Bundesgesundheitsministerium. Von ursprünglich geäußerten Erwartungen über milliardenschwere Einsparungen infolge der Positivliste sind die Kassen dagegen offensichtlich weitgehend abgerückt. Das sei kaum zu beziffern, hieß es.

Anders sieht es Wolfgang Becker-Brüser von der A.T.I. Arzneimittelinformation ("Arznei-Telegramm") in Berlin. Der Arzt und Apotheker bezeichnete die Versorgung mit "wirksamen Arzneimitteln zu günstigen Preisen" als Kern der Liste. Große Kosteneinsparungen und eine bessere Überwachung des Marktes seien davon zu erwarten.

Dem widersprach BPI-Geschäftsführer Peter Dewein. So habe sich beispielsweise in den USA gezeigt, dass Ärzte um so teurer verordneten, je kleiner die Präparate-Auswahl sei. Alle internationalen Erfahrungen zeigen nach Einschätzung des Pharmaverbandes, dass Positivlisten keine signifikant kostendämpfende Wirkung hätten. Dagegen werde die Einführung von Innovationen behindert.

Johannes M. Metzger, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, kritisierte, die vorgesehene Positivliste verlasse die Basis einer einheitlichen, nach naturwissenschaftlichen Kriterien vorgenommenen Bewertung nach europäischem Standard. Die Aufnahme in die Listen - Hauptteil sowie Anhang für besondere Therapierichtungen - und deren sachgerechte Verweigerung seien weder nach wissenschaftlichen Kriterien noch rechtsstaatlich einwandfrei begründbar.

Auch der Sachverständige Dr. Klaus G. Brauer monierte die geplante Ungleichbehandlung von Präparaten mit "harten" Wirksamkeitskriterien im Hauptteil und "weichen" für den Anhang. Der Apotheker nannte das "wissenschaftlich absurd und rechtlich angreifbar". Diese Positivliste sei "weder Fisch noch Fleisch".

Professor Bruno Müller-Oerlinghausen, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, verspricht sich von der Liste nicht einmal eine bessere Versorgungsqualität. Um dies zu erreichen, seien Therapieleitlinien und -Empfehlungen erforderlich, sagte er. Der Deutsche Ärztetag habe nur deshalb für die Positivliste votiert, weil er sich davon einen eindeutigen Leistungsrahmen in der GKV erhoffe.

Zu den massiven Einwänden, die in der Anhörung gegen das Arznei-Benchmarking vorgetragen wurden, äußerten sich die Kassenvertreter dagegen nicht. Kein einziger Sachverständiger oder Verbandssprecher plädierte dafür, die Budgets auf das Niveau der drei KVen mit den niedrigsten Ausgaben zu senken.

Mehrere Experten bezeichneten diesen Plan als völlig sachfremd oder "geradezu abenteuerlich" (so Metzger). Die ABDA veranschlagt die daraus resultierende Budgetabsenkung auf zwölf Prozent vom Sollwert des laufenden Jahres oder rund 3,7 Milliarden DM, rechnete Dr. Frank Diener von der ABDA vor. Ein so niedriges Ausgabenniveau sei aber mit keinem noch so ehrgeizigen Aktions- oder Notprogramm erreichbar. Die Hauptkritik richtet sich jedoch auf die völlig unzureichende Datenlage, auf programmierte Messfehler und die Tatsache, dass regionale Unterschiede bei Morbidität und Anteil der zuzahlungsfreien Härtefälle nicht berücksichtigt werden. Top

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