Weniger Geld für Arzneimittel |
08.09.2003 00:00 Uhr |
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat weiterhin ein Finanzierungsproblem. Fest steht aber auch: An den Arzneimittelausgaben hat es diesmal beim besten Willen nicht gelegen.
Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung haben die Krankenkassen von Januar bis Juni 2003 ein Defizit von 1,8 Milliarden Euro eingefahren. Ursache waren weniger die steigenden Ausgaben als vielmehr die wegbrechenden Einnahmen. Gesamtausgaben von 71,1 Milliarden Euro bedeuten eine Steigerung von 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dem stand ein Einnahmenzuwachs von 0,1 Prozent auf 68,9 Milliarden Euro gegenüber.
Kostentreiber waren Prävention (plus 6,6 Prozent), Fahrtkosten (5,6 Prozent), Zahnersatz und Heilmittel (je 3,8 Prozent). dahinter folgen die Verwaltungskosten der Krankenkassen. Sie stiegen um drei Prozent und liegen nun bei 3,729 Milliarden Euro. Vergleichsweise moderat stiegen die Kosten im Krankenhaus. Sie legten um 1,9 Prozent auf nunmehr 23,3 Milliarden Euro zu. Damit liegen sie zwar immer noch über dem durchschnittliche Zuwachsraten. Der starke Anstieg der vergangenen Jahre scheint aber vorerst gebremst.
Ein Blick auf die Arzneimittelausgaben straft die Propaganda einzelner Krankenkassen lügen. Gmünder Ersatzkasse und AOK hatten einen deutlichen Kostenanstieg bei Medikamenten beklagt. Die Zahlen des Ministeriums belegen, dass es sich dabei bestenfalls um individuelle Probleme handeln kann. Das Beitragssatzsicherungsgesetz hat die Arzneimittelausgaben um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sinken lassen. Die ABDA hatte bereits in den vergangenen Wochen auf sinkende Kosten für Medikamente hingewiesen. Das Ministerium hat diese Botschaft, die aus seiner Sicht einen Erfolg darstellen müsste, vergleichsweise zurückhaltend kommuniziert. Steigende Ausgaben bei Arzneimitteln waren in den Vorjahren Auslöser heftiger Reaktionen. Ministerin Ulla Schmidt äußerte sich überhaupt nicht öffentlich zu den GKV-Zahlen.
Kommentar: Schurkenrolle frei Die Krankenkassen leiden. Nein, nicht weil ihre Ausgaben gestiegen sind - sie sind im ersten Halbjahr fast konstant. Auch nicht weil ihre Verwaltungsausgaben gestiegen sind - das hat die GKV noch nie gestört. Nein, sie jammern, weil sie ihr Feindbild verloren haben. Die Arzneimittelausgaben, die von Kassenfunktionären fast reflexartig mit dem Attribut „explodierend“ verknüpft wurden, stagnieren nicht nur, sie sinken sogar. Die Schurkenrolle im Spiel GKV-Ausgaben bleibt in diesem Jahr unbesetzt.
Mit auffallender Sprachlosigkeit reagieren die Kassen auf die Veröffentlichung der GKV-Zahlen. Offensichtlich fällt die Abkehr von tradierten Argumentationsketten schwer. Auch im Ministerium herrscht Funkstille. Keine Pressekonferenz, kein Professor Karl Lauterbach, kein Professor Gerd Glaeske. Sinkende Arzneiausgaben sind für sie eine ebenso prickelnde Botschaft wie ein nicht-abgestürztes Flugzeug für ein Boulevardmagazin.
Aus Sicht der Apotheker sicherlich ärgerlich, dass die Lautsprecher vergangener Tage den Kostenrückgang bei Arzneimitteln ignorieren. Aber auch Schweigen ist eine Botschaft und in diesem Fall hören wir sie gern.
Daniel Rücker
Stellvertretender Chefredakteur
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