Zwei Sorten von Politikern |
05.09.2005 00:00 Uhr |
Wenn es keine Wirtschaftspolitiker gäbe, müssten sich die Apotheker weniger Sorgen machen. Leider ist dem nicht so, deshalb können auch eindeutige Bekenntnisse von Gesundheitspolitikern zur Apotheke keine uneingeschränkte Euphorie auslösen.
Zumindest wenn wie bei der gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion des Sächsischen Apothekerverbands (SAV) in Dresden kein Vertreter der Grünen anwesend ist, fällt das Urteil über eine weitere Deregulierung einhellig aus: Der Fremdbesitz steht nicht zur Diskussion, eine Ausweitung des Mehrbesitzes ebenfalls und Arzneimittel, auch die nicht-verschreibungspflichtigen, sind Waren besonderer Art und gehören deshalb ohne Wenn und Aber in die Apotheke. Die Diskussionsteilnehmer Dr. Eibe Hinrichs (FDP), Maria Michalk (CDU) und Dr. Marlies Volkmer (SPD) waren sich einig: Zur inhabergeführten Individualapotheke gibt es keine Alternative. Über die Regelungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) will keiner hinaus. Dies gelte für alle Gesundheitspolitiker ihrer Fraktionen.
Leider steckt in diesem Bekenntnis schon die Relativierung, denn innerhalb der Fraktionen ist die Sache keinesfalls so eindeutig. Volkmer, Michalk und Hinrichs räumten ein, dass die Wirtschaftsexperten in ihren Fraktionen die Dinge durchaus anders sehen. Ihnen sei es schwer zu vermitteln, warum das Gesundheitswesen nicht dem uneingeschränkten Spiel der Marktkräfte ausgesetzt werden dürfe. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Volkmer riet den Apothekern, den Fremdbesitz und seine Gefahren nicht zu häufig zum Thema zu machen. Zurzeit gebe es keine Initiative, die Arzneimitteldistribution zu ändern. Deshalb bestehe die Gefahr, dass die fortwährende Diskussion darüber den Fremdbesitz erst interessant mache.
Keine Panik bei Arzneipreisen
Gelassen reagierten die Politiker auf die gestiegenen Arzneimittelausgaben. Unter Berufung auf die Zahlen der ABDA verwies Volkmer auf eine Abflachung des Anstiegs. Auch könne man die Ausgaben nicht ohne weiteres mit dem ersten GMG-Jahr 2004 vergleichen. Dort habe es gerade im ersten Halbjahr zahlreiche Sondereffekte gegeben. An eine hektische Reaktion der Politik denkt Volkmer so wenig wie die CDU-Bundestagsabgeordnete Michalk. Sie sieht die Selbstverwaltung in der Pflicht, die Arzneimittelausgaben in den Griff zu bekommen. Die Union setze auf weniger Dirigismus in der Gesundheitspolitik.
Das tut FDP-Politiker Hinrichs auch. Allerdings gingen viele seiner Vorstellungen auch Michalk zu weit. Mit seiner Forderung nach der Abkehr vom Sachleistungsprinzip rief er auch den Widerspruch der SAV-Vorsitzenden Monika Koch hervor. Wenn die Patienten die Kosten erst begleichen müssten, dann liefen Apotheker häufig ihrem Geld hinterher, fürchtet Koch.
Pluspunkte bei den mehr als 50 anwesenden Apothekerinnen und Apothekern sammelte Hinrichs dagegen mit der Kritik an seinem Parteifreund und sachsen-anhaltinischen Gesundheitsminister Gerry Kley. Dessen Verhalten gegenüber dem womöglich illegal arbeitenden Arzneiversender »Zur Rose« in Halle bezeichnete Hinrichs als unverständlich. Auch Michalk hält die Existenz dieses wahrscheinlich im Fremdbesitz liegenden Versenders für bedenklich. Volkmer kündigte an, man müsse nach der Bundestagswahl den Vorgang auf seine Rechtmäßigkeit prüfen.
Bis es zu dieser interessanten Diskussion über die Arzneimitteldistribution kam, musste Verbandsgeschäftsführer Dr. Ulrich Bethge Schwerstarbeit leisten. Da die Leistungserbringer in diesem Wahlkampf ein Schattendasein führen, stiegen die drei Gesundheitspolitiker direkt in die zurzeit angesagte Debatte über die GKV-Finanzierung ein freilich ohne dabei neue Erkenntnisse zu präsentieren. Es bedurfte schon der Hartnäckigkeit Bethges, die Wahlkämpfer von der Finanzierung auf die Arzneimittelversorgung umzuleiten.
Die gab es dafür bei der wahrscheinlichen Mehrwertsteuererhöhung im
Fall eines CDU/FDP-Wahlsieges. Michalk räumte ein, es sei nur schwer
nachvollziehbar, wenn die neue Regierung mit den Mehreinnahmen aus der
Mehrwertsteuer einerseits die Sozialsysteme mitfinanzieren wolle,
andererseits diese aber über die Erhöhung belaste. Die von vielen
Verbänden geforderte Halbierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel hält
die Unionspolitikerin zwar für unrealistisch. Möglich sei es jedoch, im
Gesetzgebungsverfahren darüber zu diskutieren, ob die Mehrwertsteuer auf
Arzneimittel bei 16 Prozent bleiben soll. Allerdings werden auch hier die
Wirtschaftspolitiker mitsprechen.
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