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Das Notprogramm ist Makulatur

23.08.1999  00:00 Uhr

- Politik Govi-Verlag

Das Notprogramm ist Makulatur

von Dieter Schütz, Berlin

Das umstrittene Notprogramm der Kassenärzte ist vom Tisch. Wartelisten für Patienten und Notrezepte bei einer Überschreitung des Arzneimittelbudgets wird es nach einer Einigung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Krankenkassen und Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer nicht geben. Die Ärzte sollen nun verstärkt Generika verschreiben. Von Seiten der Pharmaindustrie und der Opposition hagelte es Kritik an der Einigung.

Reizvokabeln wie "Notrezept" und "Wartelisten" kommen im Aktionsprogramm, auf das sich KBV, Kassen und Ministerium geeinigt haben, nicht mehr vor. "Alle Patienten können sicher sein, dass sie auch künftig die notwendige medizinische Versorgung erhalten", versicherte Gesundheitsministerin Fischer. Die Grünen-Politikerin sprach von einem akzeptablen und tragfähigen Kompromiss.

Gleichzeitig wich sie kein Jota von ihrer bisherigen Linie ab: Bei einer Überschreitung des Budgets, das in diesem Jahr auf 38,7 Milliarden DM festgelegt ist, drohen den Ärzten kollektive Honorarkürzungen. Allerdings tauchen im gemeinsamen Aktionsprogramm auch einige Punkte aus dem umstrittenen Notprogramm der KBV auf. Im einzelnen wurde vereinbart:

  • Konsequent sollen Arzneimittel im generikafähigen Bereich aus dem unteren Preisdrittel verordnet werden. Der Vorstandschef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, geht davon aus, dass sich allein dadurch 2,7 Milliarden DM einsparen lassen.
  • Verordnungseinschränkungen nach §34 Absatz 1 des Sozialgesetzbuches V, die zum Beispiel Husten- und Abführmittel sowie Medikamente gegen Erkältungskrankheiten betreffen, sollen konsequent umgesetzt werden. Dazu wollen KBV und Kassen eine Wirkstoffliste erstellen und eine Regelung für Ausnahmen vereinbaren.
  • Teure Schrittinnovationen mit nicht gesichertem therapeutischem Zusatznutzen sollen vermieden werden.
  • Bei bestimmten Präparaten mit im einzelnen Behandlungsfall umstrittenem therapeutischen Zusatznutzen wird eine Zweitmeinung eingeholt.
  • Für Heilmittelverordnungen wird ein ähnlicher Katalog erstellt.

In die Sparappelle in den Wartezimmern der Arztpraxen sollen künftig verstärkt die Krankenkassen mit einer Informationskampagne einbezogen werden. Die KBV sieht dies als Erfolg ihrer Politik. Es sei gelungen, Krankenkassen und Ministerium "in die Verantwortung für die unvermeidlichen Leistungseinschränkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen".

Bei Pharmaverbänden und Opposition stieß das Aktionsprogramm auf Kritik. Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Hans-Jürgen Thomas, meinte, der Leidtragende bleibe der Patient, weil der Kompromiss die bislang ohnehin schon sparsam und wirtschaftlich verordnenden Ärzte dazu zwinge, ab sofort noch engere Maßstäbe bei der Verschreibung von Medikamenten anzulegen.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) begrüßte zwar, dass die Verunsicherung der Patienten beendet ist. Die entscheidende Frage aber bleibe, wie es mit der Arzneimittelversorgung in Deutschland weitergehe. VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer forderte eine Abschaffung der Budgets und plädierte für eine indikationsorientierte Dreiteilung bei den Arzneimitteln. Danach sollen die Kosten für alle Arzneimittel, die gegen schwere und lebensbedrohliche Erkrankungen eingesetzt werden, voll von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Kosten für Medikamente gegen geringfügige Gesundheitsstörungen, wie zum Beispiel Völlegefühl oder Funktionsstörungen der Galle, sollten von den Kassen nicht mehr erstattet werden. Bei allen anderen Medikamentenverordnungen soll der Patient über eine Zuzahlung an den Kosten beteiligt werden.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Lohmann, befürchtet, dass sich die Gesundheitsversorgung durch das Aktionsprogramm "erheblich negativ verändern" wird. "Die Patienten werden schmerzhafte Einschränkungen hinnehmen müssen", erklärte Lohmann. Mit einer Budgetierung ist seiner Ansicht nach die Versorgungsqualität kranker Menschen in Deutschland nicht zu halten.

Die im Aktionsprogramm vorgesehene "konsequente Umstellung der Arzneimittelversorgung im generikafähigen Bereich auf das untere Preisdrittel" bedeute ein von der rot-grünen Regierung ausgesprochenes Verbot des Verschreibens eines Originalpräparates, erklärte Lohmann. Mit dem Verzicht auf den Einsatz teurer Schrittinnovationen könnten Versicherte künftig nicht mehr am medizinischen Fortschritt durch verbesserte Medikamente teilnehmen.

Als "faulen Kompromiss" bezeichnete der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dieter Thomae, die Einigung. Das Festhalten am Budget sei negativ für die medizinische und die Arzneimittelversorgung in Deutschland. Top

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