Der Pullover passt nicht |
24.06.2002 00:00 Uhr |
Disease-Management-Programme
von Daniel Rücker, Duisburg
Am ersten Juli sollen die Disease-Management-Programme (DMPs) für chronisch Kranke starten. Bei den Betroffenen hält sich die Begeisterung jedoch in Grenzen. Der Deutsche Diabetiker Bund (DDB) warnt seine Mitglieder davor, sich für die Programme einzuschreiben.
"Uns wurde ein Pullover gestrickt, aber niemand hat gefragt, ob er uns passt und ob wir ihn wollen," sagte DDB-Funktionär Martin Hadder auf einer Veranstaltung in Duisburg. Er empfahl den anwesenden Diabetikern, vor der Teilnahme an einem DMP die Angebote der Kassen genau zu prüfen. Zurzeit sei die genaue Ausgestaltung der Programme noch völlig unklar. Ab Juli sollen Patienten mit Diabetes mellitus, Asthma, Brustkrebs und Lungenerkrankungen in speziellen Programmen betreut werden.
Grundsätzlich befürwortet der DDB zwar DMPs für chronisch Kranke, gleichzeitig kritisiert Hadder aber, dass "der Patient nicht gefragt wurde, was er will". Hadder hat die Sorge, dass bei der Ausgestaltung nicht nur die medizinischen Bedürfnisse der Patienten im Vordergrund stehen, sondern vor allem die ökonomischen Interessen der Krankenkassen. Er plädiert dafür, die flächendeckende Einführung der Programme um zwei Jahre zu verschieben und zuvor in regionalen Pilotstudien verschiedene Konzepte zu testen.
Doch nicht nur der Verbandsfunktionär, auch die Diabetiker im Auditorium sehen DMPs zum jetzigen Zeitpunkt kritisch. Sie fühlen sich nicht ausreichend informiert und haben zum Teil die Sorge, nicht besser, sondern schlechter versorgt zu werden, wenn sie sich in die Programme einschreiben. Die jetzt festgelegten Standards für Diabetes seien niedrig.
Dieser Sorge gab Jochem Buschmeyer, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik bei Bayer Vital, weiteren Nährboden: "Neue Präparate können in DMPs nicht eingesetzt werden." Laut Rechtsverordnung seien Arzneimittel erst DMP-fähig, wenn sie ihren Nutzen in Langzeituntersuchungen belegt hätten. Dieses Kriterium könnten sie erst Jahre nach der Markteinführung erfüllen.
Dem widersprachen die Vertreter der Krankenkassen. Die bestehenden Vereinbarungen setzten lediglich Mindeststandards, auf denen die Programme aufbauen würden, sagte Martin Schneider vom NRW-Landesverband der Betriebskrankenkassen. Wer sich in ein DMP einschreibe, werde optimal versorgt. Dem pflichtete Christoph Rupprecht, AOK Rheinland, bei: "DMP ist eine große Chance für ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement."
Vorbehalte gegen DMPs haben die Ärzte. Sie wollen den Krankenkassen keine Daten über die Behandlung liefern. Der Wuppertaler Diabetologe Dr. Hans-Jürgen Kissing hält dies aus Gründen des Datenschutzes für bedenklich. Er hat zudem die Sorge, dass die Krankenkassen kontrollieren wollen, ob sich der Patient im Programm korrekt verhält. Der Grund für die Weigerung der Ärzte, Daten an die Kassen zu liefern, dürfte nicht nur aus Sorge vor der Kontrolle ihrer Patienten geschehen. Es liegt nahe, dass die Mediziner auch wenig Interesse an der Kontrolle ihrer Therapie haben.
Wesentlich positiver steht der Apotheker Manfred Krüger, Mitglied des Steuerungsgremiums DMP bei der ABDA, zum Disease Management. In lokalen Netzwerken könnten Ärzte, Apotheker und andere Gesundheitsberufe die Patienten optimal versorgen. Die Aufgaben der Apotheker sieht er unter anderem im Anlegen eines Arzneimitteldossiers und in der Motivation der Patienten, sich in ein Programm einzuschreiben und sie im weiteren Verlauf bei der Stange zu halten.
Krüger teilt aber auch die Kritik des DDB an der mangelnden Einbindung
der Patienten: "DMPs können nur funktionieren, wenn die Patienten an
Planung und Umsetzung beteiligt werden. Ein Info-Brief der Krankenkasse
reicht da nicht aus."
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