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Umsetzung des Apothekenmonopols verstößt

30.05.2005  00:00 Uhr
Schweden

Umsetzung des Apothekenmonopols verstößt
gegen EU-Recht

von Patrick Hollstein, Berlin

In Schweden besitzt der Staat seit 35 Jahren das Alleinrecht zur Abgabe von Arzneimitteln: Alle 800 Apotheken des Landes gehören zur staatlichen Apoteket AB. Der EuGH sieht darin einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht - allerdings aus rein formalen Gründen.

Bereits seit 1970 gibt es in Schweden keine privaten Apotheken mehr. Rezeptfreie und rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen im dünn besiedelten Königreich nur in Filialen der »Apoteket« abgegeben werden, einer Aktiengesellschaft, die zu zwei Dritteln in staatlicher Hand ist. Auf diese Weise sollte die Arzneimittelversorgung zu gleicher Qualität und einheitlichem Preis auch in entlegenen Landesteilen sichergestellt werden, stark frequentierte Apotheken subventionieren weniger gut laufende Einrichtungen. Immerhin, der Monopolbetrieb prosperiert: 2004 setzte das Staatsunternehmen 3,75 Milliarden Euro um, etwa 13 Prozent davon mit nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und Pflegeprodukten. Die 12.000 Beschäftigten erwirtschafteten einen Reingewinn von 22,4 Millionen Euro.

Streit um Nikotinpräparate

Vor allem im OTC-Bereich weckten die wirtschaftlichen Erfolge von Apoteket Begehrlichkeiten. Im Jahr 2001 verkaufte das Unternehmen Bringwell International AB in seiner Stockholmer Filiale zwölf Packungen Nicorette Plåster (Nikotinpflaster) und Nicorette Tuggummi (Nikotinkaugummi). Dies ist ein klarer Verstoß gegen das staatliche Apothekenmonopol. Die schwedischen Behörden leiteten daher ein Strafverfahren gegen Krister Hanner ein, den damaligen geschäftsführenden Vorstand von Bringwell. Doch das Urteil des Stockholmer Bezirksgericht steht nach wie vor aus: Zwar verletzte die Verkaufsaktion aus schwedischer Sicht eindeutig die geltenden Vorschriften. Unklar war aber, inwieweit das Apothekenmonopol - das letzte seiner Art in Europa - gegen europäisches Recht verstößt. Die Richter legten dem EuGH daher einen Fragenkatalog vor und baten um eine Grundsatzentscheidung.

Doch auch in Luxemburg zögerte man. Vor einem Jahr erklärte der Generalanwalt des EuGH, dass das staatliche Monopol nicht mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar sei, auch dann nicht, wenn der Verkauf rezeptfreier Medikamente freigegeben würde. Damit ging seine Empfehlung über die eigentliche Streitfrage hinaus und stellte das ganze Monopol infrage. In seinem Urteil vom 31. Mai 2005 stellt der EuGH fest, dass Apoteket als staatliches Handelsmonopol gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Dort sei zwar eine völlige Abschaffung staatlicher Monopole nicht zwangsläufig vorgesehen. Allerdings, so die Richter weiter, dürften Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten keinesfalls benachteiligt werden: Monopole, die den Handel mit Waren aus den anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem Handel mit einheimischen Waren benachteiligen, seien unzulässig.

Der zwischen schwedischem Staat und Apoteket geschlossene Vertrag aus dem Jahr 1996 sehe weder einen Einkaufsplan noch ein Ausschreibungssystem vor. Zudem würden Hersteller nicht ausgewählter Erzeugnisse die Gründe für die Auswahl nicht erfahren. Die Auswahlentscheidung könnte von keiner unabhängigen Kontrollinstanz überprüft werden. Vielmehr stehe es Apoteket völlig frei, bei schwedischen Herstellern oder den beiden Großhändlern Tamro und Kronans Droghandel ein Sortiment eigener Wahl zusammenzustellen. Diese Regelungen diskriminierten ausländische Anbieter eindeutig. Dennoch habe die Regierung keinerlei Maßnahmen getroffen, den Mangel abzustellen.

Der Gerichtshof wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Bildung von Handelsmonopolen durchaus gerechtfertigt sein kann, zum Beispiel wenn die Erfüllung einer Aufgabe von allgemeinem Interesse nur durch die Einräumung eines solchen ausschließlichen Rechts gewährleistet werden kann. Auch dürfe der Handelsverkehr nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

Erwartungen enttäuscht

Das Urteil wirft in Schweden einige Fragen auf. Viele Parteien hatten mit einer Grundsatzentscheidung gerechnet; ein halbes Dutzend Privatunternehmen hatte beim Heilmittelwerk bereits Bewilligungen zum Verkauf rezeptfreier Produkte beantragt - und sogar erhalten. Sozialministerium sowie Heilmittelwerk hatten sich bis zur Publikation des Luxemburger Urteils nicht offiziell geäußert. Apoteket selbst hatte bereits damit begonnen, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen vorzubereiten: Das neue Geschäftsmodell sah vor, die Zahl der Filialen, in denen bislang ausschließlich Pflegeprodukte verkauft wurden, von 10 auf 60. Mit einer weitgehenden Liberalisierung dürfte allerdings kaum mehr zu rechnen sein. Regierung und Parlament müssen nun beschließen, ob und wie weit der Markt für Mitbewerber geöffnet wird. Top

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